Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
persönlich zu begrüßen, Monsieur Petiton«, sagte er. »Es gibt doch hoffentlich keine Klagen wegen der Skistiefel für Ihren Herrn Sohn?«
»Ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt hier gekauft wurden«, antwortete Petiton.
»Oh, gewiß, wir haben die ganze Familie ausgerüstet. Madame war erst gestern hier – mit ihrem Trainer –, um ein paar anspruchsvollere Ski auszusuchen. Ich habe die Marke >Einsamer Adler< empfohlen – die Marke des Weltmeisters.« Petiton fixierte ihn scharf.
»Ich habe nicht die Absicht, hier Einkäufe zu tätigen«, sagte er. »Im Gegenteil, ich verlange Geld von Ihnen zurück.«
»Von mir?« Knüsperli erbleichte.
»Es handelt sich um eine Uhr«, fügte Petiton auf seine ruhige, selbstbewußte Art hinzu.
»Eine Uhr? Ich kann mich anscheinend nicht erinnern – «
»Ganz im Gegenteil! Ich muß vermuten, daß Sie genau Bescheid wissen. Mein Dienstmädchen hat hier eine Uhr erworben.«
»Eine Italienerin? O ja, gewiß – « Knüsperlis geheuchelte Unschuld zwang ihn, sich möglichst dienstbeflissen zu geben.
»Richtig. Eine Italienerin. Sie hat für einhundertachtzig Franken eine Uhr gekauft.«
»Tatsächlich kostete die Uhr einhundertachtundneunzig Franken, Monsieur, aber ich machte der Dame einen Sonderpreis.«
»Sehr großzügig von Ihnen, davon bin ich überzeugt. Aber ich frage mich, ob ihre weiteren Handlungsweisen von der gleichen Großzügigkeit inspiriert waren. Soweit ich weiß, erwies die betreffende Uhr sich als ungeeignet. Darum sandte die Dame sie Ihnen zurück, mit der Bitte, sie umzutauschen – eine Usance, die in allen besseren Fachgeschäften üblich ist.«
»Völlig einverstanden, Monsieur.«
»Sehr erfreut, dies zu hören. Und Sie haben Ihre Korrektheit weiter unter Beweis gestellt, indem Sie der Dame im Austausch eine Uhr schickten, die vielleicht zwanzig französische Franken wert ist. zum gegenwärtigen Wechselkurs etwa achtzehn Schweizer Franken.«
»O nein, Monsieur. Ich protestiere! Wer hat überhaupt den Wert der Uhr geschätzt?«
Monsieur Petiton konsultierte einen Zettel, auf dem er den Sachverhalt zusammengefaßt hatte.
»Firma Augier, Dupont et Fils, 118 Boulevard de la Victoire in Paris – die offizielle Niederlassung von wenigstens drei renommierten Schweizer Uhrenherstellern.«
»Aber Monsieur, diese Uhr ist eine Pomona Ever-Go!«
»Eine solche Firma ist mir unbekannt«, erklärte Monsieur Petiton. »Und ich habe geschäftliche Verbindungen zu den großen Herstellern in Genf und La Chaux-de-Fonds. Immerhin will ich einräumen, daß meine Kenntnisse lückenhaft sein könnten. In diesem Fall brauchen Sie nur den Katalog der Firma Pomona vorzulegen, und wir werden gemeinsam feststellen, wieviel Sie meinem Dienstmädchen schulden.« Knüsperli wurde unsicher, besonders jetzt, da seine Frau zugegen war.
»Die Firma Pomona bringt keinen Katalog heraus«, sagte er.
»Warum nicht? Ist das nicht eine allgemeine Praxis im Geschäftsleben?«
»Ich weiß nicht, warum, Monsieur. Es ist – in mancher Hinsicht – eine eigenartige Firma.«
»Das glaube ich gern. Vielleicht können Sie mir Adresse und Telefonnummer geben, damit wir der Sache nachgehen.«
»Die Adresse habe ich zufällig nicht zur Hand.«
»Und wie kommen Sie dann in den Besitz der Uhren?« fragte Monsieur Petiton. »Sie produzieren sie doch nicht etwa selbst?«
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Monsieur Petiton.«
»Na endlich.«
»Was gibt es, Heinrich?« fragte Madame Knüsperli. »Ah, nichts. Nein, gar nichts.« Knüsperli beugte sich vor. »In Ihren Diensten steht eine gewisse Madame Demoruz, die in Ihrer Abwesenheit Ihr Chalet reinigt.«
»Sehr richtig.«
»Als Ihr Dienstmädchen diese Uhr für einhundertachtzig Franken aussuchte – «
»Und bezahlte!«
»Ich will nicht behaupten, sie hätte nicht bezahlt. Das habe ich nicht behauptet. Niemals, Monsieur!«
»Schon gut, fahren Sie fort.«
»Sie – ich meine, das Dienstmädchen – schickte die Uhr nach Italien, soviel ich weiß, als Geschenk. Es erwies sich als ungeeignet, wie sich zeigte. Statt nun die Uhr an mich zurückzusenden, wie sich’s gehört hätte, sandte die Dame sie an Madame Demoruz, die sie ihrem Gatten aushändigte, einem gewissen Monsieur Demoruz.«
»Klingt ganz logisch.«
»Dieser Monsieur Demoruz kam nun in mein Geschäft und weigerte sich strikt, die Uhr herauszugeben. Er behauptete, die Uhr sei nicht mehr fabrikneu, da er sie am Handgelenk trug. Und er behauptete ferner, sie sei beim
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