Gottes blutiger Himmel
die sich wie aus einer vergangenen Zeit erhob: Wie ihr Haar auf ihrem Körper liegt, während sie schläft, und mildes Licht tänzelnde Schatten auf ihre nackte, entspannte Haut wirft. Ich erlebe, dass es noch einen anderen Zustand gibt, der nicht von Zweifeln und Schmerzen zerfressen ist, der sich meinen Berechnungen entzieht. Ich versuche, mich von Sana zu entfernen, aber sie erwacht, sie umarmt mich, ich höre sie atmen, sie durchbricht eine Sperre, die unüberwindlich hoch war und nun durchlässig und brüchig geworden ist. Ich erfahre, was Liebe ist, nein, ich erfahre, von welcher Scheinwahrheit die Welt lebt. Was kann ich dem entgegensetzen?
Nun erst glaubte ich aus dem Traum zu erwachen, mit aller Last der Zeit, der Geschichte, des Wahnsinns, des Vergessens, des Verzeihens, des Verrats, der Gewalt, des Hasses und der Dummheit. Ich wollte all dies ignorieren, war doch die Wahrheit kalt und veränderlich und konnte sich jederzeit in ihr Gegenteil verkehren. Lieber gab ich mich einer Stimmung hin, die mir sagte, dass mir alles Kommende nichts anhaben konnte, wenn nur Sana auf Gedeih und Verderb zu mir hielt.
Etwas durchbrach das Bild, das mir vor Augen stand. Ich hörte Autos anspringen, Lichter gingen an und aus, halluzinierte ich? Ich hörte mal von nah, dann von fern Rufe und Geklapper. Irgendetwas ging im Lager vor und vermischte sich mit meinem Befinden, ich war hin und her geworfen zwischen meinen Gedanken und meiner Umgebung. Ich will nicht weg von hier, dachte ich immer wieder, ich habe nichts erreicht. Trotzdem verbrachte ich die Nacht in dem Bewusstsein, aufbrechen zu müssen. Aber wohin würde ich eigentlich gehen?
Am nächsten Tag mied mich der Syrer mit der verkrüppelten Hand. Sicher hatte Samer allen Anweisung erteilt, sich von mir fernzuhalten. Ich rief Abu Muadh zu mir und fragte ihn, wo seine Kameraden seien. Im Gästehaus, antwortete er. Dann fragte ich, wie eigentlich die Gegend hieß, in der wir waren. Er wisse es nicht, sagte er.
Ich ging zum Gästehaus, in dem die sechs Freiwilligen übten, Sprengstoffgürtel umzulegen, und darüber sprachen, wie man sie auslöste. Im Zimmer nebenan war niemand.
Ich lief ums Haus und sah eine Treppe, die in einen Kellerraum führte. Ich stieg hinab und stieß auf ein Lager. Vorn lagen Mehlsäcke, dahinter Waffen, Sprengstoff, Raketenwerfer, Bombenteile und Zeitzünder. Ich sah Anleitungen zum Bau von Sprengkörpern, Broschüren über Tod und Paradies, ganze Stapel von Leitfäden So werde ich in wenigen Tagen ein Muslim , höchstens dreißig Seiten stark, mit Anleitungen zur Gebetswaschung, zur Almosensteuer und zur Pilgerfahrt sowie Ausführungen über gute und verwerfliche Taten, zum Dschihad und zum Märtyrertod.
Als ich wieder nach oben ging, hatten die Kämpfer ihre Übung beendet. Jetzt sprachen sie darüber, wie man Autos am besten mit Sprengstoff präparierte. Ich zog ab, aber der junge Iraker aus der Gruppe folgte mir und sprach mich an.Zuerst nannte er mir seinen richtigen Namen. Er hieß Hazem.
»Ich habe gehört, dass Abdallah der Syrer dein Sohn ist«, fuhr er fort. Ich nickte.
»Er hat gesagt, dass du bald nach Syrien fahren wirst.«
Ich hatte nicht den Wunsch, ein Gespräch zu führen, aber aus Groll gegen die Gruppe sagte ich: »Ich war hierhergekommen, um meinen Sohn zu sehen. Ich hatte mir etwas davon erhofft, aber es war vergebens. Wie du siehst, habe ich hier nichts zu tun. Also muss ich zurück.« Und verbittert setzte ich hinzu: »Ich bin gegen das, was ihr tut, und es schmerzt mich, zu sehen, welchen Weg ihr geht. Euer junges Leben ist zu schade dafür. Erhaltet es für eure Familien! Hast du keinen Vater, keine Mutter, keine Geschwister?«
Es war gewiss sinnlos, so mit einem jungen Mann zu reden, der sich gerade auf einen Anschlag vorbereitete, durch den er zum Märtyrer zu werden gedachte. Aber ich war nun einmal wütend.
»Was hat dich hierhergebracht?«, fragte ich ihn.
»Ich wollte dem Morden entfliehen«, sagte er.
Was war denn das nun für ein Rätsel, war er nicht genau dazu hergekommen?
Hazem erklärte es mir. Der Grund war sein Bruder. Er hatte einer Miliz angehört, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Teile des Wohnviertels al-Azamiya in Bagdad von Schiiten zu säubern. Er hatte einer Familie eine Aufforderung geschickt, ihre Wohnung zu räumen und wegzuziehen, aber diese fügte sich nicht. Er schickte eine zweite Warnung, vergebens. Dann stürmte er eines Nachts mit seinen Kameraden das Haus der Familie und
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