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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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streben, und lass mich niemand anderen begehren, denn du bist mein Herr und Gebieter im Diesseits und im Jenseits, Erhabener und Gütiger.«
    Ein Bauer öffnete eine Bewässerungsrinne und verschloss eine andere, ein anderer schnitt Gräser ab, die am Rand wuchsen. In der Ruhe des Morgens ergoss sich das Wasser in die Gärten, Vögel zwitscherten in den Palmen, und eine Kuh muhte.
    »Halte mich von Sünde fern, so wie du Ost und West voneinander fernhältst. Reinige mich von Frevel, auf dass ich sei wie ein unbeflecktes Kleid.«
    Apfelduft wehte herüber, vermischt mit dem Rascheln fallender Blätter. Eine alte Mühle, die ich für stillgelegt gehalten hatte, stieß eine hohe Rauchwolke aus, und es roch nach Blüten.
    »Herr, wasche mir meine Sünden ab mit Wasser und Eis, führe meine Seele zu dir, auf dass sie dein Wohlgefallen finde, und lass mich ein ins Paradies deiner rechtschaffenen Diener.«
    Kein Morgen konnte klarer und reiner sein, und ich hoffte, er möge nie vergehen. Ich fühlte mich zurückversetzt in meine Grundschule, ein altes Damaszener Haus am Ende der Straße, die neben dem Kardamom-Markt am Khandschi-Badehaus anstieg. Jede Woche hatten wir Religionsunterricht beim Scheich. Er öffnete das Fenster zum Schulhof mitseinen in Beete gepflanzten Pomeranzen- und Zitronenbäumen, seinen Lauben aus Jasmin und Myrte, seinen Rosenund Blumentöpfen. »Seht«, pflegte er zu sagen, »wie selbst die Pflanzen Tag und Nacht ihren Schöpfer preisen!«
    Samers Stimme drang noch immer an mein Ohr, auch er pries Gott mit demütigen Worten und bat ihn um Gnade. Wen bat er da um Gnade? Und um Vergebung wofür? Um Entschlossenheit, um was zu tun? Um den Sieg für die Gemeinschaft des Propheten und die Auslöschung der Sünden. Waren das wirklich nur Sünden?
    Ich hätte es nicht ertragen, jetzt auch nur einem der frommen Männer zu begegnen, und entfloh in die Landschaft. Ich schlenderte umher, setzte mich an den Rand des Kanals und ließ meine Gedanken schweifen. Immer wenn ich ein wenig Zuversicht schöpfte, entglitt sie mir wieder, und immer wieder sah ich mich ohne Samer. Er war ein verlorener Sohn, der mich in Verlorenheit stürzte, ein Sohn, den ich nicht mehr hatte und der mich nicht mehr hatte. Ich fürchtete mich vor Samers Zukunft. Sie würde nicht mehr meine sein, und ich wünschte mir, ich könnte sie abwenden.
    Ich sah den Jungen mit der verkrüppelten Hand vom östlichen Rand des Dorfes auf mich zukommen. Ich stand auf, und wir gingen nebeneinander her. Er klagte mir sein Leid. Zum mindestens fünften Mal war er wieder übergangen worden, erst gestern hatte Abdallah ihm versprochen, ihn mit einer Märtyreraktion zu betrauen, aber zum morgendlichen Training sei er nicht aufgetaucht. Sicher hatte er wieder einen anderen losgesandt. Den Algerier vielleicht, den Marokkaner oder die beiden Saudis?
    Er erzählte mir, dass er gerade Abu Harith an seinem Rückzugsort besucht habe. Dieser hatte die Suppe und das Wasser von gestern nicht angerührt und kein Wort gesprochen. So sei das, seit er sich zurückgezogen habe. Als ich ihnfragte, wo er sei, zeigte Abu Muadh auf ein kleines Haus aus Lehm auf der anderen Seite des Kanals. Er merkte, dass ich ihm nicht mehr zuhörte, und ließ mich allein. Ich ging zu einer Pontonbrücke aus Holz, die auf dem Kanal lag, und näherte mich dem bezeichneten Haus. Mich hatte Wut auf den Eremiten gepackt. Essen und trinken wollte er also nicht mehr, langsam zugrunde gehen wollte er. Das Spiel des Mordens und Abschlachtens, das hier beständig im Namen des Allmächtigen und Erhabenen getrieben wurde, wollte er aber nicht beanstanden.
    Ich klopfte mit der Faust an die Tür, bekam jedoch keine Antwort. Also öffnete ich selbst und trat ein. Abu Harith saß auf dem Boden, las im Koran, und Tränen liefen ihm über die Wangen. Unbeherrscht schrie ich ihn an: »Dir wird keine Vergebung zuteil, solange du nicht aus diesem Loch herauskommst und zu deinen Leuten gehst! Sag ihnen, dass es Sünde ist, Menschen zu töten. Was ist denn aus der Beförderung des Guten und der Verhinderung des Übels geworden? Ist die Entstellung von Leichen keine Übeltat? Oder was ist es sonst?« Ich merkte nicht mehr, was ich redete. Es mag sein, dass ich das Diesseits und das Jenseits verflucht habe, dass ich Gott beschimpft und die Kämpfer für den Dschihad als Abschaum von Verbrechern und Schlächtern bezeichnet habe.
    Er erhob sich nicht, er wandte sich nicht zu mir um, er würdigte mich keines Blicks.

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