Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
1
Der Prophet legte seine 9-mm auf den Küchentresen.
Er beugte sich vor und ließ sein Blut in die Spüle rinnen. Das einzige Geräusch war das leise Tröpfeln auf Nirosta-Stahl. Die kleinen hellroten Flecken sammelten sich zu einer Pfütze auf der Metallfläche. Er schlug mit dem Handrücken gegen die Armatur, und kaltes Wasser rauschte kreiselnd in den Abfluss.
Hinter ihm knirschten Sohlen auf leeren Patronenhülsen, als zwei Männer den Raum betraten.
»Meine Jünger«, sagte der Prophet, ohne sich umzudrehen. »Ich wusste, dass ihr mich hier finden würdet.«
Seine »Jünger« blieben stumm. Sie zogen Stühle vom Tisch zurück und setzten sich. Dann hoben sie ihre Waffen. Zuerst der eine, dann der andere, langsam und nachdrücklich.
Irgendwo im Haus lief ein Nachmittags-Talk oder etwas Ähnliches im Fernsehen – Applaus brandete auf, dann hörte man eine tiefe männliche Stimme. Sie ist eine verdammte Lügnerin! Dieses Baby sieht mir nicht im Geringsten ähnlich. Die Zuschauer johlten zustimmend.
Der Prophet spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte vorsichtig, sich das Blut aus den Augen zu waschen. Kopfwunden bluteten höllisch. Und sie sahen immer schlimmer aus, als sie sind. Na ja, nicht immer, dachte er. Er erinnerte sich an den Wachmann im Labor und kniff die Augen zusammen, verscheuchte das Bild aus seinem Gedächtnis. Manchmal waren Kopfwunden tatsächlich genauso schlimm, wie sie aussahen. Und manchmal konnten sie sogar tödlich sein.
Der Prophet zog sich das zerfetzte weiße Sweatshirt über den Kopf und entblößte einen sehnigen Oberkörper. Er war dunkelhäutig und vernarbt. Beide Oberarme waren bis zu den Schultern hinauf mit Tätowierungen bedeckt – Bandensymbole zierten seine Deltamuskeln, und in der Mitte seiner Brust prangte ein Kruzifix. Er wischte sich das Gesicht mit dem Hemd ab. Der Stoff färbte sich rot. Der Prophet war nicht sonderlich groß, aber seine drahtigen Muskeln arbeiteten deutlich sichtbar unter der Haut, als er das blutige Hemd durch den Raum warf. Er war zwanzig Jahre alt oder vielleicht auch tausend; kam drauf an, wen man fragte. Und wem man glaubte.
Der Prophet drehte sich um und betrachtete seine Jünger. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Ihr seht aus, als könntet ihr ein Bier vertragen.«
Er ging zum Kühlschrank und schob die Leiche der Frau, die dagegenlehnte, mit dem Fuß so weit zur Seite, dass er die Tür aufziehen konnte. Glasflaschen klirrten leise. »Sie haben nur Miller«, sagte er fast entschuldigend. Eine Blutspur verschmierte das gelbe Linoleum. Nicht sein Blut, wie er bemerkte. Das da nicht. Er trug drei Bierflaschen zum Tisch, stellte sie ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Seine vermeintlichen Anhänger lächelten nicht, sie griffen auch nicht nach dem Bier. Sie saßen nur da, in ihren dunklen Anzügen und mit schwarzen Sonnenbrillen, vollkommen regungslos, und beobachteten ihn. Der erste war jung und blond, hatte ein richtiges Babygesicht. Schräg über seine Oberlippe verlief eine weiße Narbe, wo in seiner Jugend eine Hasenscharte wegoperiert worden war. Diese Narbe, der einzige Makel in einem ansonsten perfekten Gesicht, machte ihn noch jünger. Er hielt die Waffe lässig in der Hand, den Arm auf den Tisch gestützt. Sein weißes Hemd war am Kragen geöffnet, der schwarze Schlips gelockert. Der zweite Mann war älter, wirkte finsterer – er schien nur aus Kinn und Schultern zu bestehen. War von den beiden wohl der Mann fürs Grobe. Babyface aber war die Person, die er im Auge behalten musste. Das erkannte der Prophet schon mit einem kurzen Blick.
»Wie heißt du?«, fragte er den Blonden.
»Spielt das eine Rolle?«, erwiderte der Blonde.
Der Prophet schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht.« Letztlich hatte Babyface recht. Im Himmel waren Namen nicht nötig, denn Gott kannte sie alle auch so.
»Wir haben dich lange gesucht, Manuel«, erklärte Babyface.
Der Prophet lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck Bier. Dann spreizte er die Hände. »Meine Jünger«, sagte er. »Ihr habt mich gefunden.«
»Du hast uns viel Geld gekostet«, fuhr der Blonde fort. »Das könnte unser Arbeitgeber vielleicht verzeihen.« Er nahm die Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel zwischen den Augen. Er blickte hoch. Seine Augen waren babyblau. »Aber du hast auch eine Menge Schwierigkeiten verursacht, und das vergibt er dir nicht.«
»Ich habe niemals um Vergebung gebeten.«
»Dann sind wir uns in diesem Punkt einig.
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