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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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und mit ihm Myriaden von Insekten! Denken Sie an Behörden und Firmen, die danach trachten, ihren Mitarbeitern mit Hierarchien und engen Vorschriften das eigenständige Denken abzugewöhnen. Denken Sie nur an die Diktaturen, die im letzten Jahrhundert die ganze Welt bedroht haben!“ Behrman schnaufte erregt und rang nach Luft. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Im Namen des so genannten Wissenschaftlichen Sozialismus wurden Millionen Menschen ermordet, im Namen einer abstrusen Rassenideologie wurden Millionen Juden vergast, und bis auf den heutigen Tag gibt es auf der ganzen Welt solche Ausrottungssysteme, die ohne die Mittel, die ihnen die moderne Wissenschaft zur Verfügung stellt, gar nicht bestehen könnten.“
Er machte eine Pause. Troller und Jane starrten ihn entgeistert an.
„Donnerwetter“, sagte Jane schließlich. „Das war aber ein Rundumschlag. Sie behaupten also, Bach habe Stalin und Hitler vorbereitet?“
„Ich gehe vielleicht manchmal ein bisschen zu weit“, sagte Behrman, und es schien beinahe so, als schämte er sich dafür, dass sein Temperament so mit ihm durchgegangen war. „Und es war ja nicht Bach allein, es waren Descartes, Newton, Bacon – in der Malerei war es Poussin –, es waren eigentlich alle führenden Köpfe dieser Zeit. Es war, wie Ihr Philosoph Hegel es nannte, der Weltgeist, der auf einmal eine andere Melodie spielte. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass es Jahrhunderte dauerte, bis alle sich an die neue musikalische Skala gewöhnten. Ein normaler Renaissance-Mensch hätte sie wohl kaum ertragen.“
„Also noch einmal“, sagte Jane. „Bach hat mit seiner Musik die Welt verändert. Richtig?“
Behrman nickte. „Unsere Wahrnehmung, unser Fühlen und Denken ist durch die auf ihn zurückgehende Harmonielehre geprägt. Er hat nicht nur die Tonabstände auf dem Klavier verändert, sondern auch unsere Gehirne. Sein Irrtum war, dass er nur an die musica instrumentalis dachte und nicht erkannte, dass es hier auch um die musica mundana ging, um die Melodie des Lebens. Bach konnte allerdings nicht wissen, wie fatal sein Eingriff sein würde. Erst mit meiner Weltresonanztheorie kann ich zeigen, dass sich die Welt aus Klängen aufbaut und dass eine Veränderung der Tonskalen zugleich die Welt verändert.“
„Genau das ist mir noch nicht klar“, sagte Troller. „Wieso hat Bach, indem er die musica instrumentalis verändert hat, auch die musica mundana verändert? Ich meine, was in unseren Köpfen passiert, ist doch etwas anderes als das, was in der Welt passiert. Oder nicht?“
„Wenn es sich nur um einen einzelnen Kopf handelte“, sagte Behrman, „dann hätten Sie Recht. Aber Bach hat die Köpfe von Millionen, ja, Milliarden Menschen verändert. All diese Köpfe schwingen seitdem anders, und diese Schwingungen pflanzen sich fort bis in die Sphäre unseres Planeten. Resonanz ist kein einseitiges Phänomen.“
„Mit anderen Worten: Bach hat die Köpfe verändert, und die Köpfe haben die Welt verändert“, sagte Jane.
„Besser hätte ich es nicht ausdrücken können“, sagte Behrman. „Und ich glaube, ich stehe mit meiner Theorie nicht ganz allein. Auch die Neurophysiologen messen ja bereits die Frequenzen, in denen unser Hirn tickt und sprechen von der Melodie des Geistes. Sie wissen nur noch nicht, dass der Charakter dieser Melodie davon bestimmt wird, wie wir den Tonraum und damit unseren Lebensraum ordnen.“
„Bach oder Pythagoras.“
„Oder aber eine ganz neue Harmonik“, sagte Behrman und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: „Das Interessante ist nämlich, dass ich am 11. Juli eine rätselhaft klingende Melodie aufgefangen habe, die eindeutig von der Westküste her kommt. Und am 14. Juli veränderte sich diese Melodie erneut. Sie wird immer stärker.“ Er hielt kurz inne und horchte. „Hören Sie diese Melodie?“ Er zog einen Regler an einem mit mehreren Pegeln bestückten Gerät hoch.
Troller und Jane sahen sich an. Es handelte sich tatsächlich um eine unbeschreiblich klingende Melodie. Troller hatte so etwas noch nie gehört. Oder doch? „Klingt interessant“, sagte er, „aber irgendwie dissonant.“
Behrman nickte zustimmend, und sein Gesicht hatte einen entspannten, ja glücklichen Ausdruck. „Es ist die noch unfertige Melodie des göttlichen Geistes. Und ich bin mir sicher, dass die Tiere sie bereits vernehmen. In wenigen Tagen wird unsere Welt eine andere sein.“
„Sie sagten, diese Melodie käme von einem Ort an der Westküste“, sagte

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