Gottes Zorn (German Edition)
Fahrertür und stieg aus. Nachdem sie die Windschutzscheibe abgewischt und das Eis von den maroden Wischerblättern entfernt hatte, hielt sie inne und reckte ihr Gesicht gen Himmel. Sie schloss die Augen und streckte die Zunge aus. Der Schnee fiel ihr in weichen Flocken auf die Augenlider. Er schmeckte kalt und gut wie immer. Fatima schluckte mehrere Male. Dann wurde ihr bewusst, dass Joel sie durch die Scheibe hindurch beobachtete.
Als sie den Schlüssel im Zündschloss drehen wollte, rief Joel, als wäre es ihm gerade eingefallen: «Ach übrigens, er hat auch etwas von einem Kunsthändler geschrieben. Der offenbar behauptete, dass Mårtens Bilder möglicherweise ein Vermögen wert seien. Ein Karl Månzon in Simrishamn. Sie kennen den Namen doch bestimmt. Er stand nämlich in dem kleinen Taschenkalender, den ich Ihnen gegeben habe.»
Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern, startete Fatima den Motor und legte auf der Landstraße eine Hundertachtziggraddrehung hin.
***
D ie Räumlichkeiten des Kunsthändlers lagen im zweiten Stock eines Lagergebäudes aus roten Ziegelsteinen direkt gegenüber dem Fischereihafen. Fatima hatte die Adresse mit Hilfe ihres Handys rasch lokalisiert und danach Eva Ström angerufen.
Ja, der Name war ihr bekannt. Zwielichtiger Typ. Karl Månzon hatte Gerüchten zufolge einmal Hehlerei betrieben, war jedoch nie verhaftet worden.
Fatima hatte sich für die Informationen bedankt und das Gespräch beendet, ohne sich näher zu erklären.
Als sie aus dem Wagen stiegen, hatte der Schneefall zugenommen. Vom Meer wehte ein schwacher Ostwind, der die Flocken über das Hafenareal hineinsegeln ließ. Joel spähte an den Fischkuttern am Kai vorbei bis zum äußersten Pier hinaus. Dort draußen duckten sich kaum erkennbar einige Möwen.
Im Treppenhaus roch es nach Teer und altem Treibholz.
Karl Månzon Art
stand auf einem Blechschild. Fatima klopfte dreimal fest gegen die Tür und lächelte Joel zu.
Was wollte sie mir signalisieren, als sie mein Gesicht berührt hat?
Der Mann, der ihnen öffnete, war groß und hager und trug einen Anzug aus glänzendem Stoff, der in den Achselhöhlen verknittert war. Sein eiförmiger Schädel war abgesehen von einem schmalen Spitzbart an der Spitze des Kinns kahl. Sein Alter war nahezu unmöglich zu schätzen, doch die rötlichen Hautfalten unter seinen Augen deuteten an, dass er wahrscheinlich bedeutend älter war, als er auf den ersten Blick wirkte. Aus dem Raum hinter ihm waren frivoles Stöhnen und lautes Keuchen zu hören, hin und wieder unterbrochen von kurzen Schreien. Im Blick des Mannes lag eine gewisse Erwartung, die sich rasch verflüchtigte, als Fatima ihm ihren Polizeiausweis hinhielt. Mit einem Mal sah er extrem müde aus.
«Verdammt», seufzte er.
Ohne weitere Worte kehrte er ihnen den Rücken und ließ sie in der Türöffnung stehen. Im Vorbeigehen griff er sich eine Fernbedienung vom Couchtisch und schaltete den großen Flachbildschirm aus, woraufhin die eindeutigen Geräusche aufhörten. Månzon sank in einen Sessel und platzierte seine Füße, gekleidet in ein Paar weiße Schuhe mit Ledertroddeln, auf dem Tisch. Joel schloss die Tür hinter sich. Durch ein Dachfenster fiel graues Licht in den Raum. An den weißen Steinwänden hingen Kunstwerke offenbar ohne jedes System und inhaltlichen Zusammenhang. Monet, Carl Larsson, Picasso, alles zweifellos Reproduktionen, sowie diverse abstrakte Motive von für Joel unbekannten Künstlern waren bunt durcheinander mit weinenden Kindern und Segelschiffen im aufgewühlten Meer gehängt. Von einer Leinwand mit schwarzem Rahmen an der Wand hinter dem vollgestellten Schreibtisch lächelte sie Mona Lisa milde an.
«Und was wollen Sie?», fragte Månzon und rutschte in seinem Sessel etwas tiefer.
«Über Mårten Lindgren sprechen», antwortete Fatima.
«Aha, ich dachte …» Der Kunsthändler wirkte sichtlich erleichtert.
«Was dachten Sie?»
«Ach, nichts Besonderes. Ich musste nur gerade an etwas anderes denken. Möchten Sie Kaffee?»
Noch bevor einer von ihnen antworten konnte, hatte er sich wieder aus dem Sessel hochgestemmt und auf eine riesige glänzende Espressomaschine gestürzt, die wahrscheinlich einen weitaus höheren Wert hatte als eines der Bilder an den Wänden.
«Ja, Mårten Lindgren. Darauf hätte ich auch selbst kommen können», gluckste er, während er Kaffeepulver in zwei Siebträger gab und die Maschine einschaltete.
Eine dickflüssige, angenehm duftende Flüssigkeit perlte
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