Gottes Zorn (German Edition)
aus.
Plötzlich merkte er, dass Fatima das Interesse an ihm verloren zu haben schien. Sie hatte bereits einige Schritte in Richtung der drei Kriminaltechniker in Overalls am Steinhaufen gemacht.
«Sie haben noch mehr gefunden», murmelte sie.
Die Männer, die um den Steinhaufen herum gehockt hatten, standen auf und wischten sich den Schmutz von der Kleidung. Als auch Eva Ström auf sie zuging, reichte ihr einer von ihnen einen Gegenstand. Dann wechselten die Polizisten ein paar Worte miteinander, die Joel nicht verstand. Nach einer Weile war Ström mit einer Plastiktüte in der Hand zurück. Sie hielt sie Joel vors Gesicht.
«Kennen Sie das hier?»
Das Messing war feucht und mit Erde beschmiert.
Er schüttelte den Kopf. «Nein, was ist das?»
«Sieht aus wie eine Kautabaksdose. Darauf ist ein Name eingraviert. Torsten Olsson. Sagt Ihnen der etwas?»
Joel tat so, als krame er in seinem Gedächtnis.
«Der Prediger», sagte Eva Ström. «Schon mal von ihm gehört?»
«Es gab da so einen Typen, um den sich massenweise Gerüchte rankten», antwortete Joel und versuchte dreinzublicken, als beförderte der Spitzname irgendwelche alten Erinnerungen zutage. «Also vor langer Zeit. Die Leute behaupteten, dass er eine Frau erschlagen hätte. Mörderhaus nannten sie sein Anwesen. Wir sind als kleine Jungs manchmal dort umhergeschlichen.»
Eva Ström steckte die Plastiktüte mit der Dose in die Jackentasche.
«Aber ich verstehe nicht ganz», sagte Joel treuherzig. «Was hat er denn mit dieser Sache zu tun?»
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich umdrehte und wegging.
«Wir werden es herausfinden», hörte er sie murmeln.
***
E s hatte erneut angefangen zu schneien, schwere feuchte Flocken fielen vom Himmel. Die Scheibenwischer quietschten wie immer und hinterließen Schmutzränder auf der Windschutzscheibe.
Fatima schielte heimlich zu Joel hinüber. Sein zotteliger Mantel verbreitete einen muffigen Geruch im Wagen. Die Mütze hatte er abgesetzt. Seine Haare standen leicht verschwitzt vom Kopf ab. Er fingerte nervös am Schorf seiner Wunde herum.
Er wird eine Narbe zurückbehalten, dachte sie. Eine weiße Narbe in seinem unschuldigen Gesicht.
Dann sah sie sich gezwungen, ihn zu fragen. «Sie schützen jemanden, nicht wahr?»
Sie merkte, dass er zusammenzuckte, und bereute, dass sie ihm die Frage nicht gestellt hatte, als sie ihm in die grünblauen Augen schauen konnte.
«Warum glauben Sie das?»
Er klang aufrichtig erstaunt.
«Nur so ein Gefühl …», entgegnete sie. «Dass ausgerechnet Sie über eine Leiche stolpern würden, die drei Jahre lang versteckt gelegen hat, erscheint mir etwas unwahrscheinlich.»
«Die Wildschweine …», murmelte er und schaute durch die Seitenscheibe hinaus.
Plötzlich wandte er ihr sein Gesicht zu, das nackt und schutzlos wirkte.
«Es passieren die merkwürdigsten Dinge», sagte er. «Dinge, von denen man angenommen hätte, dass sie absolut unwahrscheinlich wären.»
«Mag sein …»
Fatima blinzelte durch die verdreckte Windschutzscheibe hindurch und versuchte, auf andere Gedanken zu kommen. Ich muss daran denken, an einer Tankstelle zu halten und die Wischerblätter auszutauschen.
Der Mord an Dragan Djelic war eigentlich nicht ihre Sache. Zumindest noch nicht. Eva Ström hatte vom Fundort aus im Polizeirevier angerufen und Björn Bernhardsson informiert. Danach hatte sie Fatima mütterlich ermahnt, ein paar Tage Überstunden abzubummeln und sich zu erholen, nachdem die Vernehmungen bei der Säpo in Malmö abgeschlossen waren. «Klar», sagte Fatima, aufrichtig erleichtert. Aber Joel nach Hause bringen konnte sie ja wohl noch.
«Warum hat er es eigentlich getan?», fragte Joel plötzlich.
«Wer denn?»
«Dieser Osama. Haben Sie verstanden, warum er meinen Vater erdrosselt hat? Ich meine, richtig verstanden?»
«Das ist das erste Mal, dass ich Sie Vater sagen höre …»
«Ist es das?»
«Ja, sonst haben Sie ihn immer den Alten oder Mårten genannt. Aber nie Papa oder Vater.»
Fatima spürte seinen Blick auf ihrer Wange und erwiderte ihn flüchtig. Er schien sich ertappt zu fühlen. Manchmal ist er wie ein kleiner Junge, dachte sie.
«Aber warum? Können Sie es nachvollziehen?»
«Ich weiß nicht … Es ist nahezu unmöglich zu erahnen, was in seinem Kopf vor sich geht. Aber er hat heute Morgen gestanden. Ghadab Allah. Er war derjenige, der die Worte mit Mårtens roter Ölfarbe an die Wand geschrieben hat.»
«Dann ist es also klar?»
«Ja, das ist es
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