Gottes Zorn (German Edition)
den Speichel aus dem Mundwinkel. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Joel starrte sie mit offenem Mund an.
Dann lachte sie plötzlich auf und tätschelte ihm die Wange. «Wenn Sie darüber nachgedacht haben, werden Sie verstehen, dass ich recht habe», sagte sie und drehte den Schlüssel im Zündschloss.
Kapitel 29
D er Kontoauszug bot einen traurigen Anblick. Joel knüllte ihn zu einer kleinen festen Kugel zusammen, die er in die Ritze neben dem Geldautomaten schob. Die vier Hunderter, die er abgehoben hatte, steckte er in sein Portemonnaie.
Vorm Eingang des Systembolag kauerte Johnny, wie üblich mit roter Nase und einer Bierdose in der Hand. Joel tat so, als sähe er ihn nicht.
Nachdem vor genau einem Jahr das Reihenhaus verkauft und die Anteile ausbezahlt worden waren, war er sich reich und ziemlich frei vorgekommen. Doch inzwischen waren seine Finanzen ziemlich zusammengeschrumpft, und ein kurzer Überschlag ergab, dass er sich höchstens noch ein paar Monate würde über Wasser halten können. Beim Sozialamt betteln wollte er auf gar keinen Fall, da würde er sich lieber zu Johnny gesellen und in einer Schneewehe verhungern.
Er musste unwillkürlich daran denken, was Karl Månzon gesagt hatte. War es denn möglich, dass Mårtens Gemälde ein Vermögen wert sein konnten?
Für einen Augenblick erwog Joel, einen Blick in die Zeitungsredaktion auf der anderen Straßenseite zu werfen und ein paar Worte mit Roger Holgersson zu wechseln, hauptsächlich der Gesellschaft wegen. Aber die Räume sahen dunkel und leer aus. Er war wohl unterwegs zu einem Außentermin.
Stattdessen schlenderte Joel in Richtung Pizzeria. Vielleicht würde er dort einen Kaffee bekommen. Oder etwas zu essen, auch wenn er eigentlich gar keinen Hunger hatte. Es dämmerte bereits. Der Wind hatte wieder aufgefrischt, die Temperatur war offenbar erneut gefallen. Kleine Schneeflocken fegten über den Marktplatz und brannten auf seiner Wange wie Nadelstiche.
Obwohl Ahmed allein in seinem Lokal stand, glänzte seine Glatze vor Schweiß. Joel zog seinen Mantel aus und warf ihn über einen Stuhl.
«Mistwetter», rief er zur Begrüßung und bestellte einen Kebab und ein Glas Wein.
Zur Antwort erhielt er lediglich ein finsteres Nicken.
Während Joel dasaß und aufs Essen wartete, machten sich die Ameisen in seinen Beinen wieder bemerkbar. Zuerst waren es nur einige wenige, die im einen Fuß herumkrabbelten und ihn frech zwischen den Zehen kitzelten. Doch dann wurden es mehr und mehr, die durch die Waden bis zu den Oberschenkeln und Leistenbeugen hinaufschwärmten. Joel kippte den Wein hinunter und streckte seine Beine, so weit es ging, unter dem Tisch aus. Er versuchte sich zu entspannen.
Als sich die Insekten etwas beruhigt hatten und es ihm gelungen war, all die Diagnosen zu verdrängen, die er in Ärzteforen im Internet gefunden hatte, konnte er sich gedanklich den Bildern widmen.
Zehn Stück hatte Mårten gemalt. So stand es im Testament. Je eines hatte er Månzon und Goran Djelic überlassen. Drei hatte er testamentarisch seinen Frauen verfügt: Siw, Rakel und Helga.
Blieben also noch fünf für ihn selbst.
Wie viel mochten sie wert sein? Über irgendwelche Summen hatte Karl Månzon nicht zu spekulieren gewagt, sosehr Joel auch versucht hatte, eine Zahl aus ihm herauszukitzeln. Der Markt ist unberechenbar, hatte der Kunsthändler mit einem spöttischen Lächeln gesagt. Man muss an die entsprechenden Spekulanten geraten.
Wer’s glaubt, wird selig, dachte Joel.
Zunächst einmal ging es allerdings darum, die verfluchten Bilder zu finden. Wo zum Teufel konnten sie nur geblieben sein? Hatte Mårten sie tatsächlich in einem seiner Wutausbrüche verbrannt? Oder hatte es der Mörder getan?
Auf der Rückfahrt von Simrishamn hatte Fatima ihn nur kurze Zeit, nachdem sie stinksauer auf ihn gewesen war und ihn angepflaumt hatte, völlig unerwartet gefragt: «Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, dass Sie reich werden könnten?»
Daraufhin hatte sie ihn fragend angesehen, als wäre sie neugierig darauf, wie er über sein Erbe dachte.
Sein Blutgeld.
Es war nicht gerade leicht zu ergründen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Aber sie hatte ihm ja gestanden, dass sie einsam war. So wie er selbst. Joel fand, dass es vielversprechend klang. Er fingerte zerstreut an der Plastiknelke in der Vase auf dem grün karierten Tischtuch herum. Wischte etwas Staub weg, der sich zwischen den Blütenblättern festgesetzt hatte.
Plötzlich wurde er in
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