Gottes Zorn (German Edition)
seinen Gedanken unterbrochen, als die Türglocke ging. Vier Männer kamen hereingestiefelt, alle mit Baseballcaps, unter denen rot gefrorene Ohren hervorschauten. Ihnen folgte ein kalter Luftzug und ein Geruch nach Kautabak. Bevor sie sich an den Tisch neben die große Yuccapalme setzten, starrten sie ihn feindselig an. Ahmed nickte ihnen reserviert zu. Der Kebab, den er hereintrug, roch ziemlich lecker. Joel biss hinein und wollte den Pizzabäcker gerade fragen, warum er so traurig aussah, als sein Handy in der Tasche vibrierte. Er wischte sich rasch ein wenig Knoblauchsoße aus dem Mundwinkel und meldete sich.
Die Stimme klang, als käme sie von weit her. «Hej, hier ist Erik.»
Es dauerte eine Weile, bis Joel begriff, wer es war. «Aah, Erik», antwortete er erstaunt.
«Rufe ich ungelegen an?»
«Äh nein, ganz und gar nicht … Ich sitze gerade in der Pizzeria.»
Ahmed warf ihm einen fragenden Blick zu, zuckte dann jedoch mit den Achseln und trottete zurück hinter den Tresen.
«Ach, was für ein Zufall», sagte Erik. «Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht und so.»
«Ja, eigentlich ganz gut …»
Joel wartete auf eine Fortsetzung, die jedoch nicht kam. Für einen Augenblick erwog er, Erik zu fragen, ob er Lust hätte, zu ihm in die Pizzeria zu kommen, um sich ein wenig zu unterhalten, überlegte es sich jedoch anders. Stattdessen fragte er ihn mit vollem Mund: «Und selbst?»
«Ach, ich bin ’n bisschen traurig. Es ist so leer ohne Mårten. Er … ja, wenn du entschuldigst, es kommt mir so vor, als wäre er am Ende doch noch ein Vater für mich geworden.»
«Mårten?»
«Ja …»
Joel versuchte die beiden gedanklich zusammenzubringen. Mårtens cholerische Erscheinung. Sein ruckartiger ungeduldiger Gang. Der breite Rücken und die harten Schwielen an den Händen, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Und dann Erik, dieses altkluge Riesenkind mit Augen, die so treuherzig und blau wie ein Bergsee waren. Es versetzte Joel einen Stich in der Brust. War das womöglich noch Neid? Joel konnte es kaum glauben.
«Wolltest du noch etwas anderes?», fragte er mit kühlerer Stimme als beabsichtigt.
Er hörte Erik verlegen auflachen. «Nein, eigentlich war Mama diejenige, die mich gebeten hat, bei dir anzurufen. Denn ihr geht es nicht so gut. Nichts Ernstes, nur eine Erkältung, die bestimmt bald überstanden ist. Aber du weißt es ja selbst. Sie muss immer etwas zu tun haben. Es ist ihr absolut unmöglich, das Bett zu hüten und sich nicht zu beschäftigen. Mama findet, dass es höchste Zeit sei, sich um Mårtens Erbe zu kümmern. Sie würde sich gerne morgen mit dir in Mårtens Haus treffen und seine Habseligkeiten durchgehen. Passt es dir um die Mittagszeit?»
«Ich weiß nicht … Ist das denn wirklich nötig?», wand sich Joel.
«Mama hat das Ganze wirklich schwer zugesetzt, auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt. Sie hat so viel von Mårten gehalten. Das, was passiert ist, ist ja geradezu ein Sakrileg. ‹Gottes Zorn›. Was wissen denn derlei Mörder schon über Gott? Mama findet das alles jedenfalls ganz abscheulich.»
Joel schielte zu Ahmed rüber, der gerade vier Pizzen in seinen Steinofen geschoben und ihn für die kürzlich eingetroffenen Gäste frisch befeuert hatte. Wie warm es geworden war! Er entschuldigte sich, legte rasch das Handy zur Seite und zog sich den Pulli aus. Aus irgendeinem Grund bekam er nur schwer Luft. Es war, als ob ihm diese großgewachsene, mütterliche, unbeholfene und so rührend besorgte Frau plötzlich etwas zu nahe kam. Die heilige Helga. Dabei war sie doch gar nicht diejenige, die ihren Vater verloren hatte. Und auch nicht diejenige, die ihn beerben würde.
Kaum dass er den Gedanken gedacht hatte, überkam ihn ein schlechtes Gewissen. Wie engstirnig. Mårten hatte schließlich seine letzten Jahre gemeinsam mit ihr verbracht, und es war offensichtlich, dass er sie geliebt hatte. Die Frau, die ihn dazu gebracht hatte, das Licht zu erblicken. Es gab wirklich keinen Grund, sie auszuschließen. Außerdem hatte Berelius doch vorgeschlagen, dass sie das Erbe gemeinsam durchgehen sollten.
«Bist du noch dran?»
«Ja natürlich, ich bin hier. Wir machen es, wie du gesagt hast.»
«Gut», entgegnete Erik. «Dann sehen wir uns morgen gegen zwölf.»
«Okay.»
«Du, Joel», sagte Erik schnell, bevor Joel das Gespräch wegdrücken konnte. «Eine Sache noch.»
«Ja?»
«Also, das, was ich vorhin gesagt habe, meine ich auch so. Dass ich mich
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