Gottes Zorn (German Edition)
da unten eine Leiche liegt», sagte er.
«Machen Sie Witze?»
Todernst schüttelte er seinen Kopf. «Keineswegs. Hier unten auf dem Grund liegt ein Toter. Falls noch etwas von ihm übrig ist, nachdem die Aale sich bedient haben. Ihr Vater hat ihn versenkt.»
Joel starrte verwirrt erst Holgersson an und dann hinunter ins Eisloch. Das mit Aal belegte Brot rumorte in seinem Magen. Rochen die Barsche nicht irgendwie faul?
«Mårten?»
«Tja, so lautet jedenfalls meine Theorie.»
«Das müssen Sie jetzt aber näher erklären.»
Es dauerte eine Weile, bis Holgersson zwei weitere Bierdosen hervorgeholt und das Brotpapier in der Tasche verstaut hatte.
«Eines Tages verschwand ein Mann», begann er, nachdem er sich auf seinem Stuhl wieder zurechtgesetzt hatte. «Er hieß Dragan Djelic, und man kann wohl davon ausgehen, dass er ermordet wurde. Alles deutete auf Mårten hin.»
Joel wartete ungeduldig. Doch Holgersson hatte keine Eile.
«Es geschah ungefähr ein Jahr, bevor Ihr Vater weltberühmt wurde. Genauer gesagt, im August. Mårten und Dragan hatten irgendwelche Geschäfte laufen. Was genau, ist allerdings unklar. Mir jedenfalls. Aber es ist allgemein bekannt, dass sie oft die Fähre nach Polen und Litauen rüber nahmen. Es wird behauptet, dass das Schmuggeln von Wodka ein lohnendes Geschäft ist. Ganz zu schweigen von Amphetaminen. Doch dann geschah etwas, das sie heftig aneinandergeraten ließ.»
«Und was?»
«Das wissen wir nicht. Aber ein paar Tage vor Dragans Verschwinden hatten sie einen furchtbaren Streit. Mehrere Zeugen sahen sie auf dem Parkplatz vorm Konsum in Tomelilla stehen und sich gegenseitig anbrüllen. Sie waren kurz davor, sich vor den Augen der Leute zu prügeln.»
«Aber das muss doch nicht bedeuten …»
«Warten Sie, ich werde Ihnen noch mehr erzählen. An dem Abend, als Dragan Djelic verschwand, beobachtete der Graf hier oben auf seinem Gut zwei Männer in einem Boot auf dem See. Er heißt übrigens Rutger von Adler. Die Entfernung war allerdings ziemlich groß, sodass der Graf seinem Namen zum Trotz nicht sehen konnte, um wen es sich handelte.» Holgersson lächelte verschmitzt. «Aber alle wussten, dass Mårten und Dragan immer gemeinsam zum Angeln herkamen. Sie hatten sogar eine Lizenz für die gesamte Saison erworben und sie ehrlich bezahlt. Nach Rutgers Aussage lag ihr Boot genau hier, wo wir uns jetzt befinden, als er es erblickte. Dann war er auf der anderen Seite des Sees zum Ufer hinuntergegangen, um sich einen Steg anzusehen, der repariert werden musste. Es war schließlich nichts Besonderes, zwei Männer in einem Boot angeln zu sehen. Doch als Rutger das nächste Mal herüberschaute, war das Boot auf dem Weg ans Ufer. Und da saß nur noch ein Mann drin.»
«Kann er sich denn nicht getäuscht haben?»
«Das ist natürlich möglich. Aber Rutger hat für sein hohes Alter unglaublich gute Augen. Er sagt, er würde Gift darauf nehmen, dass erst zwei Fischer im Boot saßen und dann nur noch einer. Damals dachte er nicht weiter darüber nach. Doch als bekannt wurde, dass Dragan Djelic verschwunden war, fiel es ihm wieder ein. Und seitdem war er sich in seiner Aussage ziemlich sicher.»
Joel warf erneut einen Blick in das Loch im Eis. Einen Augenblick lang meinte er einen weißen, aufgequollenen Körper zwischen den Schlingpflanzen auszumachen. Ein Auge, das zu ihm hinaufstarrte. Er spürte, wie er unter seiner Kleidung eine Gänsehaut bekam, die nichts mit der Kälte zu tun hatte. Bis zu dem Punkt auf der anderen Seite des Sees, an dem der Graf gestanden haben sollte, waren es gut und gerne fünfhundert Meter. Joel schirmte die Augen mit der Hand ab. Der Mäusebussard hatte sich inzwischen in diese Richtung entfernt, wo er jetzt seine Kreise über ein paar Fichten am Ufer zog und dabei nur noch als schwarzer Punkt zu sehen war.
«Und was passierte dann?»
«Die Polizei hat den See durchkämmt. Aber sie gaben relativ schnell auf. Der Boden hier ist ziemlich schlammig und morastig, sodass eine Leiche unendlich tief sinken kann.»
«Und Mårten?»
«Die Bullen haben ihn vernommen. Er hatte kein Alibi. Behauptete, dass er zu Hause war und gemalt hat. Aber es gab ja auch keine technischen Beweise; weder dafür, dass er draußen auf dem See gewesen war, noch, dass er jemanden ermordet hatte. Es gab ja noch nicht einmal eine Leiche.»
Joel nahm einen Schluck Bier, um den Aalgeschmack zu neutralisieren.
«Aber Sie sind sich sicher?»
Holgersson nickte. «Das ist die einzige
Weitere Kostenlose Bücher