Gottes Zorn (German Edition)
plausible Erklärung. Denn Menschen lösen sich nicht einfach in Luft auf.»
Als Joel ein wenig nachgedacht hatte, erinnerte er sich daran, aus welchem Grund er auf Roger Holgersson neugierig geworden war.
«Mein Vater besaß ein Telefonverzeichnis. Darin standen Ihr Name und Ihre Telefonnummer. Haben Sie eine Ahnung, warum?»
Holgersson hielt mitten in einer Bewegung inne, als hätte man ihm eine Beleidigung ins Gesicht geschleudert. Dann brach er in freudloses Gelächter aus.
«Ja, ich wünschte, ich wäre drum herumgekommen. Aber eine Zeitlang war Mårten wie eine verdammte Klette. Er rief andauernd bei mir an. Es war in der Zeit, nachdem er seine Mohammed-Bilder gemalt hatte und bekannt geworden war. Oder eher gesagt, etwas bekannter. Denn er bekam ja keineswegs so viel Aufmerksamkeit, wie er gehofft hatte. Also rief Mårten bei mir an und lag mir in den Ohren, dass ich ihn interviewen sollte. Woraufhin ich ein paar Artikel schrieb. Bis ich der Meinung war, dass es reichte. Außerdem war mir das Ganze ziemlich unangenehm, da ich die ganze Zeit über den Mord an Dragan Djelic im Kopf hatte. Oder sein Verschwinden, wenn man es so nennen will.»
Er verstummte, doch Joel sah, dass er noch mehr zu erzählen hatte.
«Aber er gab keine Ruhe …?»
In Holgerssons Gesicht spiegelte sich Unsicherheit. «Nein, ich glaube, dass etwas passiert ist … Vor kurzem, vor etwa einem Monat, bin ich Mårten zufällig begegnet. Es war an der Statoil-Tankstelle in Tryde. Er tankte gerade seinen Cherokee auf, als er mich erblickte. Er rief mir etwas zu, und ich sah mich gezwungen, zu ihm zu gehen. Erst dachte ich, dass er vorhatte, eine Art Bekenntnis abzulegen. Doch dann gab er nur ziemlich wirres Zeug von sich, und dass es nett wäre, mich zu sehen. Aber ich sah ihm an, dass das nicht alles war. Ich bekam den Eindruck, dass er es sich anders überlegt hatte. Wissen Sie, in seinen Augen lag pure Angst.»
Joel musste an seine eigene letzte Begegnung mit Mårten denken. Dieser flehende Hundeblick, den er an ihm noch nie zuvor gesehen hatte. Ganz sicher war etwas passiert.
«Was wissen Sie über den Prediger?», fragte er geradeheraus.
Holgersson schob sich nachdenklich die Elchmütze in den Nacken.
«Warum fragen Sie nach ihm?»
«Sagen Sie mir einfach, was Sie über ihn wissen.»
«Tja, nicht gerade viel. Er ist ein merkwürdiger Kauz. Die Leute haben seit jeher Angst vor ihm. Es wird behauptet, dass er damals seine Frau erschlagen hat. Und dass er so viel Drogen genommen hat, dass sein Gehirn völlig zerfressen ist. Ein gemeingefährlicher Kerl, wenn Sie mich fragen. Hin und wieder taucht er hier draußen in den Ortschaften auf, stellt sich auf den Marktplatz und verkündet irgendein hirnrissiges New-Age-Geschwätz. Wahrscheinlich nennen die Leute ihn deswegen auch den Prediger. Mårten soll übrigens auch irgendwelche schmutzigen Geschäfte mit ihm am Laufen gehabt haben. Aber woher wussten Sie davon?» Holgersson wirkte aufrichtig erstaunt.
«Ich habe es nur gehört», antwortete Joel.
Er stand mit steifen Beinen auf, klappte den Schaffellkragen bis zu den Wangen hoch und begann auf dem Eis hin- und herzuhüpfen, um sich aufzuwärmen. Die Sonne hatte sich erneut hinter den Wolken versteckt, sodass die Kälte zunahm und das Licht etwas matter wurde.
«Da ist noch etwas», sagte Holgersson und schaute zu ihm hoch. «Dragan Djelic hatte einen Bruder. Er heißt Goran. Züchtet draußen bei Lövestad Hunde. Ich habe im Zusammenhang mit dem Verschwinden mit ihm gesprochen. Und er war ebenso überzeugt davon wie ich, dass Mårten seinen Bruder ertränkt hat.»
Der Name ließ Joel zusammenfahren. Ein weiteres Mal sah er den kleinen zerknüllten Taschenkalender vor sich.
«Sie meinen also …?»
Roger Holgersson hievte sich mühevoll von seinem Klappstuhl hoch.
«Nichts. Nur, dass es vielleicht außer diesen Islamisten noch mehr Leute gibt, die sauer auf Ihren Vater waren.»
***
M it sechs Barschen in einer Plastiktüte im Kofferraum und düsteren Gedanken im Kopf fuhr Joel nach Hause.
Die Dunkelheit war hereingebrochen.
Schneeflocken segelten durchs Scheinwerferlicht herab.
Roger Holgersson hatte ihm beschrieben, wie man die Fische zubereiten sollte: «Filetieren Sie die kleinen Racker, wenden Sie sie in etwas Weizenmehl und geben Sie dann eine ordentliche Menge Butter in die Pfanne, damit auch noch etwas für die Kartoffeln übrig bleibt.»
Doch als Joel sich Tomelilla näherte, stellte er fest, dass er den
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