Gottes Zorn (German Edition)
verlassen. Ich war achtzehn Jahre alt, als ich selbst die Nase voll hatte und abgehauen bin.»
Sie schwiegen eine Weile. Lediglich der Fußballkommentator im Fernsehen und die Rufe des Publikums im Hintergrund waren noch zu hören. Erik trank einen kleinen Schluck von seinem Bier. Dann legte er seine große Hand über die von Joel auf dem Tisch und beugte sich zu ihm vor.
«Ich weiß selbst, wie schlimm es ist, seinen Vater zu verlieren», sagte er mit leiser Stimme.
«Ja, Helga hat es erwähnt …», begann Joel.
«Mein Vater kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Es war schrecklich. Natürlich war es bestimmt nicht so wie für dich. Mein Vater war Pastor. Wir standen uns ziemlich nahe. Und trotzdem plagt einen das schlechte Gewissen. Wegen der Streitereien, die man mit ihm hatte, und all dem, was man ihm gerne noch gesagt hätte, bevor es zu spät war …» Er drückte Joels Hand, während seine Augen für einen kurzen Moment feucht wurden. «Es gibt anscheinend ziemlich viele Menschen, die ein kompliziertes Verhältnis zu ihrem Vater haben», sagte er. «Aber für dich muss es noch schlimmer sein. Ich habe ja immerhin noch meine Mutter.»
«Und wie geht es Helga?»
«Tja, innerlich ist sie stark. Sie kommt schon zurecht …»
Sie saßen noch eine Weile zusammen und unterhielten sich über dies und jenes. Und schauten zwischendurch ohne größeres Interesse ein wenig Fußball. Erik ließ sich leicht zum Lachen bringen, konnte aber auch sehr ernst sein. Als das Match zu Ende war, tranken sie den letzten Rest ihres Biers, bezahlten und gingen hinaus auf die Straße.
«Wir müssen uns unbedingt wiedertreffen, Joel», sagte Erik draußen auf dem Gehweg. «Und zum Angeln rausfahren. Oder mal ein Fußballspiel besuchen?»
«Unbedingt, das wäre nett», entgegnete Joel und meinte es auch so.
Dann wurde Erik ein wenig verlegen. «Du, Joel, du hast deine Barsche nicht zufällig irgendwo hier in der Nähe entsorgt?»
«Doch, genau da», antwortete Joel erstaunt und zeigte auf den Papierkorb.
Mit einem verschmitzten Grinsen schob Erik seine Hand hinein und fischte die Plastiktüte mit den Fischen heraus. Er öffnete sie und roch daran.
«Die riechen ja ausgezeichnet. Ich werde sie meiner Mutter mitbringen und ihr erzählen, dass ich sie selbst gefangen habe. Versprich mir, mich nicht zu verraten!»
«Versprochen», lachte Joel.
Dann versetzte Erik ihm einen freundlichen Knuff in die Schulter.
«Pass auf dich auf!», sagte er und trottete von dannen.
Kapitel 13
D as Hundegebell war schon von weitem zu hören. Obwohl der Hof abgelegen in einem winterlich kahlen Gehölz inmitten von Äckern lag, konnte man es bis in den Ort hinunter hören.
Die Frau, die Joel nach dem Weg gefragt hatte, plierte ihn mit finsterer Miene an. «Sie haben doch wohl Ohren. Wenn Sie sie benutzen, werden Sie es schon finden.»
Sie schüttelte den Kopf, grummelte etwas Unverständliches und stolperte dann mühsam weiter. Joel setzte sich wieder hinters Steuer, wartete jedoch eine Weile mit offener Fahrertür. Er horchte. Der Schnee dämpfte normalerweise alle Geräusche, doch das Hundegebell hallte laut und klar durch die Kälte. Es klang, als käme es aus Hundekehlen, die nach Blut lechzten.
Man kann nur hoffen, dass sie angekettet sind, dachte Joel.
Er drehte den Zündschlüssel um und bog auf den Feldweg ein, der zwischen hohen Schneewällen zum Hof hinaufführte.
«Kampfhunde», hatte Roger Holgersson mit einem Grinsen gesagt. «Ich glaube, Pitbulls. Also passen Sie auf Ihre Finger auf.»
Der Bretterzaun, der die Gebäude umgab, war morsch. An mehreren Stellen hatten sich halb verfaulte Bretter gelöst. Der Stacheldraht hatte sich hier und dort verfangen oder hing schlaff herunter.
Zwinger
stand kurz und bündig auf einem blechernen Schild.
Joel stieg mit weichen Knien aus dem Wagen.
Mårten hat auch Angst vor Hunden gehabt, fiel ihm ein. Wahrscheinlich habe ich es von ihm geerbt.
Katzen hingegen waren immer ums Haus gestreift. Robuste Bauernkatzen, die nach Mäusen Ausschau hielten. Die nannte Mårten sogar mitunter «Kleine Mieze» und kraulte ihnen das Fell am Bauch, zärtlicher, als er Joel je berührt hatte. Aber Hunde verabscheute er wie die Pest. Wenn ihm einer zu nahe kam, blitzten seine Augen vor Panik auf, egal ob es sich um einen Schäferhund oder einen kleinen Kläffer handelte.
Was wollte er also bei jemandem, der Kampfhunde züchtete?
Argwöhnisch lugte Joel durch ein Loch im morschen Bretterzaun, um
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