Gottes Zorn (German Edition)
Holgerssons keuchende Atemzüge, der Schnee, der unter seinem Gewicht knirschte, und der Mäusebussard, der hin und wieder schrille Schreie von sich gab.
«Hier», rief der Journalist plötzlich aus und blieb stehen.
Joel warf ihm einen fragenden Blick zu.
Holgersson spähte in Richtung Land, zuerst nach Norden und dann nach Westen, wo in einiger Entfernung ein blassgelbes Herrenhaus zwischen den Bäumen zu erkennen war. Es war, als messe er zwischen diversen Richtmarken die korrekte Position aus. «Ja, ungefähr hier dürfte es sein», murmelte er vor sich hin.
Er stach die Schaufel in den Schnee und schippte rasch einige Quadratmeter frei. Dann setzte er den Bohrer auf der Eisfläche an und begann zu kurbeln. Joel klappte die beiden Stühle auf, setzte sich auf den einen und wartete.
Es vergingen einige Minuten, ohne dass Holgersson ein Wort sagte.
«Was wollten Sie mich eigentlich fragen?», erkundigte sich Joel schließlich.
«Dazu kommen wir gleich», keuchte der andere und kurbelte weiter.
Erst als zwei schwarze Löcher im Eis klafften und sie sich jeweils mit einem Becher Kaffee aus einer Thermoskanne hingesetzt hatten, begann Holgersson mit seinem Interview. Anfänglich stellte er Fragen zur Sturmnacht, in der Joel sich erst durch das Unwetter gekämpft hatte und dann im heruntergekommenen Haus draußen auf dem Land seinen Vater an einem Haken an der Decke hängend auffand. Joel antwortete, so gut es ging, verzichtete jedoch darauf, die Mengen an Schnaps zu erwähnen, die er vorher in sich hineingekippt hatte. Holgersson nickte gelegentlich. Während er ihm zuhörte, zog er sorgfältig Maden auf die Angelhaken und signalisierte Joel, seine Angelschnur in einem der Löcher zu versenken. Dann stellte er Joel stichwortartige Fragen zu den Jahren, in denen er nicht in der Gegend gewohnt hatte. Joel berichtete ihm das, was er bereit war zu erzählen, und schwieg über das andere.
«Wollen Sie sich denn gar keine Notizen machen?», fragte er schließlich.
«Brauch ich nicht.» Der Redakteur wies mit dem Zeigefinger auf seine Stirn und grinste. «Ich habe ein Elefantengedächtnis.»
Nach einer Weile verstummte das Gespräch.
Sie saßen eine ganze Weile schweigend da und zogen an ihren Haken, während Joel überlegte, was er als Nächstes sagen sollte.
Als er gerade den Mund öffnete, zuckte Holgersson auf seinem Stuhl zusammen.
«Ja! Da haben wir einen!»
Triumphierend zog er einen zappelnden Barsch aus dem Eisloch. Mit einem raschen Handgriff nahm er ihn vom Haken und rammte ihm sein Mora-Messer in den Nacken.
«Ich kann sie nicht leiden sehen», erklärte er und zog sofort eine neue Made auf den Haken.
Der Fisch zuckte leicht mit der Schwanzflosse und blieb dann reglos auf dem Eis liegen. Durch eine Lücke in der Wolkendecke drang ein weißer Sonnenstrahl, der die Schuppen des Fisches grün und golden leuchten ließ. Bald hatte auch Joel einen Fisch an der Angel. Nach einer Weile lagen sechs prächtige Barsche nebeneinander auf dem Eis.
«Zeit zum Essen, damit wir nicht verhungern», entschied Holgersson und öffnete seine Kühltasche. «Aal oder Bacon?»
Noch bevor Joel antworten konnte, bekam er ein belegtes Brot in die Hand gedrückt. Eine dicke Scheibe Vollkornbrot, auf der zwei glänzende Stücke Aalfilet und darauf ein ansehnlicher Haufen Eierstich balancierten.
«Ein prima Aal. Hier im See gefangen und auf bestem Buchenholz geräuchert», erklärte Holgersson.
Es zischte, als er zwei Bierdosen öffnete und eine davon zwischen Joels Füße stellte.
Sie kauten und tranken. Als Joel sein zweites belegtes Brot anbiss, schluckte Holgersson bereits den letzten Bissen seines fünften herunter. Er schmatzte, dann entfuhr ihm ein leiser Rülpser. Plötzlich musste Joel an etwas denken, das Holgersson gesagt hatte.
«Was ist eigentlich genau hier?»
«Wie bitte?»
«Sie haben gesagt: ‹Hier dürfte es sein.› Als wir ankamen.»
«Ja …»
Mit nachdenklicher Miene schob Holgersson seine Hand in die Hosentasche und fischte eine Dose General Tabak heraus. Er schob sich zwei kleine Prieme unter die Oberlippe.
«Ich hatte vor, mit Ihnen darüber zu sprechen. Tja, wenn ich ganz ehrlich sein soll, habe ich diesen Platz bewusst ausgesucht.»
Er fixierte Joel mit seinem Blick, und plötzlich war hinter der gutmütigen Fassade noch etwas anderes zu erkennen. Eine Art Anklage. Oder vielleicht eher eine Drohung. Dann zeigte er geradewegs in das schwarze Loch vor sich hinunter.
«Ich wette, dass
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