Gottes Zorn (German Edition)
Geruch noch immer in der Nase hatte. Nach irgendetwas Fauligem in einem sumpfigen See. Ihm war der Hunger vergangen. Und das Haus, das er gemietet hatte, erschien ihm im Moment zu leer und zu einsam.
Statt nach Hause abzubiegen, fuhr Joel durch den Ort hinunter am Folkets Park vorbei und parkte vor der Pizzeria am Marktplatz. Er stieg aus dem Wagen, schaute sich verstohlen um und schmiss die Tüte mit den Barschen in einen Papierkorb. Dann warf er einen Blick durchs Fenster nach drinnen. Der Einzige, den er sah, war der traurige Pizzabäcker Ahmed, der lustlos auf einen Flachbildschirm an der Wand guckte.
Joel öffnete die Tür, zog seinen Mantel aus und hängte ihn auf, während er ein Auge auf das Match warf.
«Mailand gegen Galatasaray», erklärte Ahmed. «Zlatan spielt total mies.»
Sie wechselten ein paar Worte, bevor Joel sich mit einem Bier und einem Schälchen Erdnüssen an einem Tisch am Fenster niederließ. Auf dem grün karierten Tischtuch stand eine Vase mit einer roten Plastiknelke. Das Plakat an der Wand zeigte einen sonnigen Blick über
Bella Napoli
. Eine große Yuccapalme in einem Kübel trocknete langsam vor sich hin. Solche Lokale wie dieses gibt es wahrscheinlich überall in Schweden, dachte Joel. Er begann in einer Abendzeitung zu blättern, die jemand liegen gelassen hatte, um auf andere Gedanken zu kommen.
Nach weniger als einer Minute klingelte die Türglocke erneut, und als er aufschaute, stand eine großgewachsene Gestalt vor ihm.
«Hej, Joel!»
Erik Norlin zog sich die Pudelmütze vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch das blonde Haar. Seine Wangen waren rosig, und er lächelte breit.
«Ich habe dich hier reingehen sehen, und dann dachte ich, ich frag mal, ob ich dir Gesellschaft leisten kann.»
Joel war etwas überrumpelt. «Ja klar, setz dich!», sagte er, als er sich wieder gefangen hatte.
«Ich hab gerade einen Abendspaziergang gemacht, als ich dich gesehen habe», erklärte Erik und streifte sich die Daunenjacke ab. «Ich dachte, es wäre ganz nett, sich ein wenig zu unterhalten.»
Er drehte sich zum Tresen um und bestellte ein Bier.
«Wer spielt denn eigentlich?»
«Mailand gegen Galatasaray», antwortete Joel. «Zlatan spielt allerdings total mies.»
Erik ließ sich auf einen Stuhl fallen.
«Wie angenehm, mal eine Weile von meiner Mutter wegzukommen», seufzte er. «Wie du ja weißt, hat ihr Mårtens Tod schwer zugesetzt. Aber manchmal wird es mir etwas zu viel. Man muss ja auch mal Luft holen.»
Er schaute Joel mit ernstem Blick an.
«Aber wie geht es dir denn eigentlich? Er war ja schließlich dein Vater …»
«Ganz okay. Ich war heute mit Roger Holgersson draußen zum Angeln.»
«Im Ernst? Ich liebe es zu angeln! Mårten und ich sind auch ein paarmal rausgefahren. Und, habt ihr was gefangen?»
Joel musste über seinen plötzlichen Enthusiasmus lachen.
«Sechs Barsche. Aber ich habe sie gerade in einen Papierkorb geworfen.»
«Machst du Witze? Barsche sind doch total lecker. Warum das denn?»
«Weiß nicht genau … Roger hat mir von so ’ner Sache erzählt, die mir den Appetit verdorben hat.»
«Was denn für ’ne Sache?»
Joel sah sich im Lokal um. Ahmed stand am Tresen und schien tief ins Fußballspiel versunken zu sein. Die Neonröhre ließ seine Glatze glänzen. Jemand anderen, der mithören konnte, gab es nicht. Erik blinzelte ihn neugierig an. Irgendwie konnte er sich seiner Fürsorglichkeit und seines treuherzigen Blicks nur schwer erwehren. Also senkte Joel die Stimme und erzählte ihm, was Holgersson ihm draußen auf dem See über Dragan Djelics Verschwinden und seinen Verdacht gegen Mårten berichtet hatte.
«Glaubst du ihm das wirklich?», rief Erik skeptisch aus, nachdem Joel fertig war. «Ich meine, das klingt doch wie eine ziemlich hanebüchene Beschuldigung.»
Joel trank einen Schluck von seinem Bier.
«Ich weiß nicht, was ich glauben soll … Mir erscheint es jedenfalls nicht unmöglich.»
Erik schüttelte voller Überzeugung den Kopf.
«Es kann gar nicht stimmen. Ich glaube, ich habe Mårten recht gut kennengelernt. Klar, er hat ein ziemlich wildes Leben gelebt, bevor er meiner Mutter begegnet ist. Aber ich bin mir sicher, dass Mårten ein gutes Herz hatte.»
Als er Joels zweifelnden Gesichtsausdruck sah, schien er plötzlich ein schlechtes Gewissen zu bekommen. «Du hast ihn verabscheut, stimmt’s?»
Joel zuckte mit den Achseln. «Er hat gesoffen und mich geschlagen … Und er hat meine Mutter dazu gebracht, uns zu
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