Gottes Zorn (German Edition)
Monaten ein Kind, Göran und ich», sagte sie plötzlich. In Joels Ohren klang es wie eine Kampfansage.
«Aha … wie schön. Dann gratuliere ich», erwiderte er, ohne sich zu erkundigen, wer zum Teufel dieser Göran war.
In diesem Moment begriffen sie beide, dass alles gesagt war.
«Pass auf dich auf», sagte Joel. «Und auf das Kind.»
«Du auch», entgegnete Johanna ruhig und sachlich. Es klang, als wäre sie der Überzeugung, ihrer Pflicht nachgekommen zu sein.
***
D er Wein war ausgetrunken, und auf seinem Teller lagen lediglich noch ein paar trockene halbverbrannte Pizzaränder, als die Türglocke läutete und Joel aus seinen Grübeleien riss. Der stark beleibte Gast brachte eine Kältewolke mit ins Lokal. Er stampfte sich den Schnee von den Schuhen und fluchte über das schlechte Wetter.
Dann erblickte er Joel, und seine Miene hellte sich auf.
«Sieh mal einer an! Sie trauen sich also wieder unter die Leute.»
Der Anblick Roger Holgerssons verbesserte schlagartig auch Joels Laune. Es war, als wäre er unerwartet einem alten Freund begegnet.
«Roger! Setzen Sie sich doch.»
Der Holzstuhl knackte bedenklich, als er unter der Leibesfülle des Redakteurs verschwand. Ohne Zeit zu verschwenden, ging Holgersson die eingeschweißte Speisekarte durch und rief quer durchs Lokal: «Ahmed, ich nehme ein großes Helles und eine Pizza mit Schweinefilet! Und geiz nicht mit der Béarnaise!»
«Hab den ganzen Tag wie ein Ochse geschuftet. Kaum was zwischen die Zähne gekriegt», keuchte er und griff sich ein Stück Pizzarand von Joels Teller. «Übrigens ’n verlässlicher Kerl, dieser Ahmed», fügte er hinzu und wies mit dem trockenen Teigstück in Richtung des Pizzabäckers vor dem Ofen. «Pfeift drauf, ob er Schwein oder Rind auf die Pizza legen muss. Alles für den Kunden. Ich meine, er ist ja immerhin Muslim.»
Er verdrückte die letzten Reste von Joels Teller, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
«Haben Sie eigentlich den Artikel über sich in der Zeitung gelesen?»
«Ja, er war ziemlich gut», log Joel.
«Schön, denn mir ist es immer wichtig, dass die Menschen, die ich interviewe, sich wiedererkennen», sagte Holgersson. «Berufsehre.»
Er sah sich im Lokal um.
«Inzwischen hat es sich wieder beruhigt», stellte er fest. «Vor ein paar Tagen waren noch massenweise Journalisten aus Stockholm hier. Aber sie haben aufgegeben. Dilettanten!»
«Gut, dass sie weg sind», pflichtete Joel ihm bei.
«Und wie läuft es mit Ihren Nachforschungen?», fragte Holgersson und kippte das Bier, das ihm gerade gebracht worden war, genussvoll in einem Zug herunter. Er stellte das Glas mit einem Knall ab und reckte mit einem Blick auf Ahmed hinten am Tresen zwei Finger in die Luft.
«Nachforschungen ist zu viel gesagt. Aber ich habe angefangen nachzudenken. Nicht zuletzt, seit ich Ihnen begegnet bin. Davor war ich davon überzeugt, dass Mårten ein abgeschlossenes Kapitel in meinem Leben war. Aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.»
Joel erzählte ihm von seinem Besuch bei Goran Djelic, dessen blutrünstigen Kampfhunden und dem Bild, das er bei ihm zu sehen bekommen hatte.
«Aber eigentlich ist es idiotisch», seufzte er. «Im Grunde kann es mir doch scheißegal sein, was mit Mårten passiert ist.»
«Blutsbande sollte man nicht unterschätzen», entgegnete Holgersson ernst. «Denken Sie daran, dass er Ihr Vater war.»
«Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern. Jeder Mensch, dem ich begegne, spricht von diesen verdammten Blutsbanden.»
Holgersson schüttelte den Kopf. «Glauben Sie mir. Blut ist verdammt noch mal um einiges dicker als Wasser», sagte er mit eindringlicher Stimme. «Fragen Sie Ahmed, er weiß es.»
Der Pizzabäcker, der gerade zwei Bier vom Fass auf den Tisch gestellt hatte, hielt inne, als er seinen Namen hörte. Er sah müde aus. Vermutlich war es die Hitze des Ofens, die seinen kahlen Schädel glänzen ließ.
«Ahmed kommt aus dem Irak», erklärte Holgersson.
«Blut», sagte der kleine drahtige Mann und schaute sie mit sorgenvollen Augen an. «Ihr sprecht über Blutsbande?»
Sie nickten gleichzeitig.
«In meinem Land bedeuten sie alles», meinte Ahmed. «Ich vermisse sie oft, diese Bande. Ihr Schweden seid so einsam. Aber manchmal werden Blutsbande auch zu Ketten. Wie schwere eiserne Handschellen. Dann muss man sie zerschlagen.»
Er illustrierte seine Auffassung mittels eines kraftvollen Karatehiebs in der Luft und kehrte ihnen dann den Rücken. Holgersson brach
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