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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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Ihren eigenen Vater?»
    Eine Antwort erwartete sie offenbar nicht.
    Vor dem Tor zum Friedhof stand ein dunkler Volvo mit laufendem Motor. Als Helga die Beifahrertür öffnete, um einzusteigen, wurde der Innenraum erleuchtet. Erik saß hinterm Steuer. Joel blieb stehen und winkte dem Wagen hinterher, als er wegfuhr.
    ***
    D er Wind hatte wieder aufgefrischt. Eine eisige Bö fegte die Straße entlang und wirbelte die Schneeflocken von den Wällen auf. Über den Gräbern auf dem Friedhof lag eine dicke weiße Schneedecke, die im Schein einer einsamen Straßenlaterne leicht grau schimmerte. Die Äste der Blutbuchen wogten im Wind. War da etwa eine Eule, die in der Dunkelheit heulte?
    Ein unwirtlicher Ort, dachte Joel. Aber den Toten machte die Kälte zumindest nichts aus.
    Er knöpfte seinen Schaffellmantel bis oben zu und wickelte sich den Schal noch einmal um den Hals. Allmählich bekam er Hunger. Joel musste an Britt denken. Darauf zu hoffen, dass sie erneut bei ihm auftauchen und ihm Hacksoße vorbeibringen würde, wäre wohl zu viel des Guten. Ich bin wirklich ein verdammt einsamer Hund, ging es ihm durch den Kopf. Kein einziger von meinen alten Freunden hat von sich hören lassen. Wenn ich denn überhaupt welche hatte.
    Mit einem leeren Gefühl in der Brust schlenderte er über die Eisenbahnschienen am Konsum vorbei und weiter in Richtung Marktplatz. Die Artemisfigur auf dem Brunnen hatte einen weißen Mantel aus Schnee bekommen. Vor der Pizzeria stand ein großer Chevrolet mit laufendem Motor. Aus dem Autoradio erklang Musik: «San Quentin, I hate every inch of you», sang Johnny Cash. Ein Mädchen beugte sich durchs Beifahrerfenster hinein und unterhielt sich mit dem Fahrer. Zwischen ihrer Jeans und der allzu kurzen Jacke waren ein paar Zentimeter nackte Haut zu sehen.
    Joel nickte Ahmed zu und setzte sich an seinen gewohnten Platz am Fenster. Im Fernsehen spielte jemand Billard. Ganz hinten in der Ecke saß ein junges Pärchen in Daunenjacken im Partnerlook, das sich küsste, kicherte und abwechselnd in eine gemeinsame Pizza biss. Joel wurde von Neid erfasst.
    Er bestellte eine Quattro Stagioni und ein großes Glas Eiswasser, warf dann jedoch einen Blick nach draußen auf den Schnee und die Kälte auf dem Marktplatz und überlegte es sich anders.
    «Ich nehme auch noch ein Glas Roten!», rief er Ahmed nach.
    Man müsste einen Billigflug nach Bella Napoli buchen, dachte Joel und träumte sich für eine Weile in das Bild auf dem Plakat an der Wand hinein.
    Als ihm gerade ein Schälchen mit öligem Krautsalat gebracht worden war, klingelte sein Handy.
    «Hej, hier ist Johanna.»
    Joel schwieg. Er spürte ein Ziehen im Magen, das sowohl Freude als auch Angst in sich barg.
    «Bist du am Apparat?»
    «Ja … doch, ich bin dran. Hej, Johanna.»
    «Ich habe gedacht, ich muss mal bei dir anrufen und hören, wie’s dir geht. Ich hab im Fernsehen gesehen, was passiert ist. Wie furchtbar.» Ihre Stimme klang fremd und weit entfernt.
    «Ist schon in Ordnung, ich komme klar», sagte Joel und befingerte den Schorf über seiner Augenbraue. Für einen kurzen Augenblick kam ihm der Gedanke, ihr von der Wahnsinnsnacht zu erzählen, in der er Mårten in seinem Haus ermordet aufgefunden hatte. Von seinen Besuchen beim Prediger und Goran Djelic und von Helga, von der behauptet wurde, sie hätte seinem Vater dazu verholfen, das Licht zu erblicken. Doch irgendetwas hielt ihn zurück.
    «Aber diesen Roman werde ich wohl nie schreiben», sagte er nur.
    «Wie schade.»
    «Findest du? Ich weiß nicht …»
    «Und was machst du stattdessen?»
    In ihrer Stimme lag ein Anflug von Besorgnis. Also bemühte er sich, so gelassen wie möglich zu klingen.
    «Ich werde einen Tag nach dem anderen angehen. Außerdem habe ich einige praktische Dinge zu erledigen. Die Beerdigung muss geplant werden und so weiter. Und dann werden wir sehen.»
    Sie richtete ihm Grüße von Freunden aus, die eigentlich eher ihre waren und ihm nicht im Geringsten etwas bedeuteten. Er fragte sie pflichtschuldig nach ihren Eltern, auch wenn ihm ihre Antwort egal war. Während sich die Worte in der Telefonleitung stockend aneinanderreihten, versuchte er sich ihre Augen in Erinnerung zu rufen, den Geschmack ihres Mundes, die Hitze ihres nackten Körpers dicht neben sich, so wie neulich im Traum. Doch Johanna blieb eine Fata Morgana, eine weit entfernte Oase, die Joel vor langer Zeit einmal besucht hatte und an die er sich kaum mehr erinnern konnte.
    «Wir bekommen in drei

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