Gottesdienst
Chenille die Apokalypse nannte und die sie neben meinem Kopf zerschmetterte, wurde nie gefunden. Toxikologische Tests an mir brachten kein Ergebnis. Niemand weiß, worum es sich gehandelt haben könnte. Ich werde abwarten müssen.
Das Wetter blieb heiß bis in den November hinein. An Thanksgiving nahmen Jesse und ich Luke nach dem Essen mit in den Shoreline Park. Ein munterer Wind wehte, der Himmel schien endlos, das Gras glänzte smaragdgrün in der Abendsonne, und die Wellen schlugen gegen das Kliff unter uns. Wir hatten Drachen mitgebracht und ließen sie steigen und sich gegenseitig kleine Luftkämpfe liefern. Luke rannte über den Rasen, bis seine Wangen glühten.
Ich breitete eine Decke aus und machte es mir mit Jesse darauf gemütlich. Sein Bein war immer noch in Gips. Wir sahen Luke dabei zu, wie er mit den großen raumgreifenden Schritten des geborenen Sportlers über die Wiese hüpfte.
»Wie wär’s mit Ostern?«, fragte Jesse. »Genau hier.«
Es war das erste Mal seit jenem Tag in den Bergen, dass einer von uns beiden vom Heiraten sprach. »Und wenn es regnet?«, gab ich zu bedenken. »Wie wäre es mit der Alten Mission?«
»Eine katholische Kirche? Du fährst ja ganz schön schwere Geschosse auf, Süße.«
Ich lehnte mich zurück und betrachtete den Himmel. »Okay, wie wäre es bei dir zu Hause und mit einer Gospelmesse?«
»Aber ich darf die Musik aussuchen.«
»Kein Hendrix.« Er wollte protestieren. »Auf keinen Fall, und Clapton auch nicht.«
»Dann kannst du aber auch Patsy Cline vergessen.«
»Motown?«
»Einverstanden.«
Luke kam auf uns zu gerannt. Er kämpfte mit seinem Drachen, als er versuchte sich hinzusetzen, und starrte konzentriert nach oben. »Was ist die längste Schnur, die man an einem Drachen festbinden kann?«, wollte er wissen.
»Keine Ahnung«, sagte ich, »vielleicht hundert Meter. Was meinst du, Jesse?«
»Vermutlich. Willst du ihn wirklich so hoch steigen lassen?«
Luke dachte nach. »Wenn mein Drachen hoch genug fliegt, kann Mami ihn dann vom Himmel aus sehen?«
Es war einer jener Momente, in denen Verstand und Gefühl mit unerwarteten Folgen aufeinanderprallen. Es tat mir im Herzen weh, sein Gesicht so ernst zu sehen. Fetzen eines lateinischen Gebets klangen mir in den Ohren.
In paradisum deducant te angeli -
Es war ein Geleitwort aus dem katholischen Requiem. Ins Paradies mögen geleiten dich die Engel …
Luke blickte mich ruhig an.
»Ja«, antwortete ich. Irgendetwas sagte mir, dass ich wenigstens versuchen sollte, daran zu glauben. »Ich bin sicher, dass sie ihn sehen kann.«
»Das hab ich mir auch gedacht.«
Er wandte seinen Blick wieder dem Drachen zu. Meine Augen folgten ihm.
Der Chor der Engel möge dich empfangen … mögest du ewige Ruhe finden.
Amen. Ich schaute zu, wie sich der Drachen in der Luft drehte, erst die rote Seite, dann die blaue, dann wieder die rote. Er tanzte am Himmel und winkte uns zu. Und vielleicht geleitet er gerade in diesem Moment Tabitha für immer nach Hause.
Danksagung
Für ihre unschätzbare Hilfe bei diesem Roman danke ich Ann Aubrey Hanson, Carolina Shreve, Sally Gardiner, Dr. med. Sara Gardiner, der Rechtsanwältin Marilyn Moreno, Nancy Fraser, Adrienne Dines, Irena Kowal, Milena Banks, Melinda Roughton, Bonni Connell, Jane Warren, Mary Albanese und Frank Gardiner, der mir alles gab, worauf es ankommt. Weiterhin möchte ich meinem Agenten Giles Gordon und meiner Herausgeberin Sue Fletcher für ihre Unterstützung und ihre hilfreichen Ratschläge danken.
Die Originalausgabe CHINA LAKE erschien 2003 bei Hodder and Stoughton, a Division of Hodder Headline, London.
Verlagsgruppe Random House
Redaktion: Tamara Rapp
Vollständige deutsche Erstausgabe 11/2008
Copyright © 2003 by Meg Gardiner Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House Printed in Germany 2008
Umschlagillustration: © Larry Rostant / artistpartners
eISBN : 978-3-641-02451-2
www.heyne.de
www.randomhouse.de
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