Gottesgericht
Giordanisti gewesen – die Anhänger Giordano Brunos, der im 16. Jahrhundert lebte. Und mit ebendiesen Giordanisti wurde der abergläubische Charakter von Religion in Neapel schließlich nicht mehr von Okkultismus unterscheidbar.
Bruno war nur wenige Kilometer entfernt in Nola, an den Hängen des Vesuvs, zur Welt gekommen. Und während seiner Ausbildung zum dominikanischen Priester hatte er im Kloster San Domenico Maggiore gelebt, nicht weit von dort, wo Kamarda jetzt saß.
Applaus brach aus und verkündete das Ende der Anarchistenrede, und Kamarda kam der Gedanke, dass Bruno wahrscheinlich einige seiner abweichenden Lehrmeinungen in ebendieser Ecke gepredigt hatte. Jetzt im 21. Jahrhundert war er ein Held für jene, die irrtümlich glaubten, er sei wegen seiner fortschrittlichen wissenschaftlichen Ansichten zum Scheiterhaufen verurteilt worden. Vielmehr war er darangegangen, beeinflusst von Texten über Astrologie und Zauberei aus der arabischen und byzantinischen Welt, die christliche Theologie zu untergraben, wie sie seinerzeit sowohl von Katholiken wie von Protestanten verstanden wurde.
Auch wer behauptete, seine Spekulationen über die Natur des Universums seien ihrer Zeit weit voraus gewesen – dass es unendlich sei und eine unendliche Zahl von intelligenten Wesen bewohnter Welten enthalte –, versäumte es, die religiösen Schlussfolgerungen zu bedenken, zu denen er im Ergebnis kam: »Ich kann mir eine unendliche Zahl von Welten wie die Erde vorstellen, mit einem Garten Eden in jeder. Die Hälfte der Adams und Evas in diesen Gärten Eden wird nicht vom Baum der Erkenntnis essen, die andere Hälfte wird es tun. Doch die Hälfte von unendlich ist unendlich, deshalb wird eine unendliche Zahl von Welten in Ungnade fallen, und es wird eine unendliche Zahl von Kreuzigungen geben.«
Es muss zur damaligen Zeit schockierend geklungen haben, aber es war nicht gefährlich genug, um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen. Dazu waren subversivere Ideen nötig – darunter der Gedanke, Jesus sei nicht Gott gewesen, sondern nur ein brillanter Zauberer. Und ein weiterer, der Kamarda schaudern ließ, wenn er nur daran dachte …
Er stand von seinem Tisch auf und überquerte die Piazza. Er musste am nächsten Tag um elf in der Galerie sein. Aber für alle Fälle hatte er noch einen kleinen Trumpf im Ärmel.
47
Nachdem sie sich für ein schrittweises Vorgehen entschieden hatte, begann Jane das Gespräch mit Debbie, indem sie fragte, ob es sie interessieren würde, mit ihren Kindern kostenlos Disneyland bei Paris zu besuchen, falls sie je die Gelegenheit dazu hätte.
»Sicher«, sagte Debbie, ohne lange nachzudenken.
Sie saßen einander in der Küche gegenüber und tranken Kaffee. Die Kinder spielten draußen im Garten.
Jane gab ihr Herantasten nun auf und machte mehrere Schritte auf einmal. »Was, wenn ich sagen würde, morgen Nachmittag könnten wir alle zusammen in einem Flieger sitzen – einem Privatjet noch dazu – und auf dem Weg nach Paris sein?«
»Ach ja?« Die Worte waren überflüssig. Debbies skeptische Miene sagte alles.
»Ich meine es ernst.« Jane legte das Kuvert vor Debbie auf den Tisch.
Ihre Freundin blinzelte ein paar Mal und setzte die Kaffeetasse ab. »Was ist der Haken?«, fragte sie und hob das Kuvert auf.
»Es ist eigentlich kein Haken – wir würden von einer anderen Frau und ihrer achtjährigen Tochter begleitet werden.«
Debbie kniff die Augen zusammen und fragte: » Wer?«
»Sie heißt Sema. Sie arbeitet in der türkischen Botschaft.«
»Aha! Das Ganze hat also mit deinem Freund Demir zu tun, hm? Ihr beide wollt übers Wochenende weg und benutzt uns als Deckung?«
Jane war bestürzt. »Überhaupt nicht. Es hat mit ihm zu tun, sicher, aber es ist eine Geste des guten Willens nach dem, was neulich passiert ist.«
Debbie runzelte die Stirn und las das Anschreiben durch. »Hotel, Frühstück … Abendessen ebenfalls … unbeschränkt gültige Tickets … klingt wunderbar. Aber morgen? Es ist schon sehr kurzfristig.«
Jane nickte. »Wir können nicht einmal darüber schlafen. Ich muss ihm heute Abend Bescheid sagen.«
»Was ist mit Karl? Ist er …?«
»Ich glaube nicht, dass er inbegriffen ist.« Sie hob abwehrend die Hände. »Hat nichts mit mir zu tun.« Sie erklärte, dass Semas Mann nicht mitkommen konnte und sie wahrscheinlich nicht in Begleitung eines anderen Mannes reisen durfte. »Und wenn ihr Mann mitfliegen könnte, wären wir wohl nicht dabei«, spekulierte sie.
»Ich
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