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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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kurzen Artikel darüber gearbeitet, als er starb … Möchten Sie ihn haben?«
    »Ja, den würde ich gern lesen. Können Sie ihn mir per E-Mail schicken? Und danke für Ihre Aufklärung über die Geschichte der Handschrift.«
    »War mir ein Vergnügen, Signora.«
    Sobald sie aufgelegt hatte, mailte sie Orhun eine kurze Benachrichtigung.
    Habe Bestätigung, dass die Vision des Gorman aus Konstantinopel geschmuggelt und ins Katharinenkloster geschickt wurde, kurz bevor die Zeitbüchse den Kreuzfahrern in die Hände fiel. KOSS braucht die Zeitbüchse, um ein in das Manuskript codiertes Datum zu entschlüsseln. Sie müssen beides zusammenbringen. Wo?

46
    Pfarrer Kamarda saß vor einer Cafeteria in der Ecke einer Piazza, trank Kaffee und betrachtete die Szenerie vor sich. Die Kellner, die an den von Sonnenschirmen beschatteten Tischen bedienten, trugen schwarze Anzüge mit Fliege. Sie standen in scharfem Kontrast zu den fünf, sechs Jungen in Trainingsanzügen, die nur wenige Meter entfernt Fußball spielten. Gelegentlich flog der Ball zwischen die Tische, gefolgt von ein paar Zehnjährigen, die ihm mit halsbrecherischer Geschwindigkeit nachjagten. Wenn ein Kellner in diesem Augenblick gerade jemanden bediente, fauchte er sie vielleicht an, doch ansonsten wurde es offenbar als Teil des Lebens auf dem Platz akzeptiert. Touristen fanden es wahrscheinlich reizend, aber für Kamarda war es nur ein weiterer Grund, warum er Neapel nicht mochte.
    In der Ecke diagonal gegenüber hielt ein junger Mann über ein batteriebetriebenes Megafon eine Rede für rund zwanzig Anhänger einer anarchistischen politischen Partei – wie Kamarda dem einzelnen Banner entnahm, das sie in die Höhe hielten. Der Verkehr lief am Ende des Platzes vorbei, der eine Fußgängerzone war, aber nur, weil er von quadratischen Blumenkübeln aus Beton und einer Reihe großer, von Graffiti bedeckter Recyclingtonnen abgesperrt war.
    Die Gebäude rund um den Platz waren verschieden gut in Schuss – von einer Fassade blätterte Farbe, der untere Teil einer anderen war mit mehreren Schichten Plakaten zugeklebt, die teilweise in Streifen herunterhingen oder halbherzig abgekratzt worden waren. Auf Straßenniveau waren die meisten Gebäude von Graffiti verunstaltet. Auf dem schmierigen, von Abfall übersäten Gehsteig mussten die Leute um etwas herumgehen, dem Kamarda auf seinem Weg zum Platz glücklicherweise hatte ausweichen können – einem Haufen Hundekot, wie sie in Neapel an jeder Ecke zu lauern schienen. Fußgänger, die auf die Straße traten, um ihnen zu entgehen, wurden von Mopedfahrern beschimpft, die sich durch den Verkehr schlängelten, und die daraus resultierenden Streitereien verstärkten den Missklang aus Autohupen und kreischenden Vespas.
    Obwohl es ein sonniger Tag war, konnte Kamarda die Empfindung nicht abschütteln, dass die Stadt etwas Düsteres an sich hatte, als hätte die Sonne nicht die Macht, Licht in ihre korrupte Seele zu bringen. Oder vielleicht hatte es damit zu tun, wie er selbst sich fühlte.
    Er hatte der Galleria d’Arte Antica am Montag einen Besuch abgestattet, und jetzt war Donnerstagabend, und er wusste immer noch nicht, wie viel man ihm für die Ikone bieten würde. Nicht so viel, wie man ihn glauben gemacht hatte, das stand fest. Giuseppe Rinaldi hatte recht gehabt mit Kunsthändlern, die aufs Geratewohl ihre Netze auswarfen und in lokalen Zeitungen inserierten. Und was sie Enzo Bua geboten hatten, war nur ein Köder gewesen.
    Er wusste auch, dass sie ihn ein wenig schwitzen ließen – da er keine Dokumente vorlegen konnte, die ihn als Eigentümer auswiesen oder die Herkunft der Ikone belegten, war er in einer schlechten Position. »Das bedeutet, wir müssen, wie soll ich sagen …?«, Natalia Flamigni hatte ihn über den Rand ihrer Brille hinweg angesehen, »… vorsichtiger sein.« Sie war eine bleistiftdünne Frau Mitte fünfzig mit einem stets säuerlichen Gesichtsausdruck. Falls sie irgendwann im Lauf ihrer Unterhaltung gelächelt hatte, hatte er es übersehen. Er mochte selbst nicht gerade eine Frohnatur sein, aber er merkte ihr an, dass sie so bitter wie der trockenste Amaro war. Ein Mann, der aus einem Hinterzimmer irgendwann in die Galerie gekommen war, war der einzige andere Mensch, den er dort gesehen hatte. Und er war Flamignis männliches Gegenstück – ein finster dreinblickender, graubärtiger Typ, der etwas gebrummt hatte, während er durch die Tür in die Gasse hinausging.
    Pfarrer Kamarda trank seinen

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