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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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sicherzustellen, dass die Schockwelle der Hinrichtung des israelischen Reiseunternehmers genügend Zeit hatte, um die Welt zu laufen, hatte die Brigade die Frist für ihre nächste Aktion bis 18.00 Uhr in Istanbul, 16.00 Uhr in Dublin verlängert. Dieses Mal, sagten sie, würden sie zwei Geiseln zufällig auswählen und sie blenden oder verstümmeln – einmal mehr vor den Augen eines weltweiten Publikums.
    Jane hatte nicht die Absicht, es sich anzusehen. Doch wie viele andere Menschen glaubte sie nicht, dass es überhaupt dazu kommen würde – den Türken blieb jetzt nichts anderes mehr übrig, als das Gebäude zu stürmen.

15
    Annaliese Hoffmann war optimistisch, dass dies der letzte Tag ihrer Gefangenschaft sein würde. Die geflüsterte Meinung unter den Geiseln war, dass sich die Bande nicht auf eine lange Belagerung eingestellt hatte. Das Essen, wenn man es so nennen wollte, war so gut wie aus. Getränke ebenfalls. Sie mussten bereits leere Flaschen mit Wasser aus den Waschbecken in den Toiletten auffüllen.
    Und was würde nach ihrer Freilassung passieren? Man würde sie wahrscheinlich in ein Hotel bringen und ihnen eine anständige Mahlzeit servieren. Aber was sie wirklich brauchte, war eine Dusche. Sie wollte das Gesicht zu dem heißen Wasserstrahl drehen und spüren, wie er über ihr Haar strömte, sie wollte sich mit duftendem Duschgel einseifen und alles Grässliche dieser letzten Tage fortspülen.
    Doch es war egoistisch von ihr, sich in solchen Fantasien zu ergehen, wenn sie an das grausame Schicksal des israelischen Herrn am Vorabend dachte. Obwohl sie sich abgewandt und die Augen geschlossen hatte, würde dieser Horror sie bis an ihr Lebensende verfolgen.
    Konnte es sein, dass die türkische Regierung den Mann tatsächlich zur Hinrichtung ausgewählt hatte? Oder hatten ihn die Terroristen selbst ausgewählt, weil er Jude war? Niemand hatte eine Meinung zum Ausdruck bringen wollen, aber ihnen allen musste durch den Kopf gegangen sein, dass ihr Schicksal, falls dieses Verfahren wiederholt wurde, möglicherweise von ihrer Religion oder den Beziehungen ihres Landes zur Türkei abhing.
    Annaliese wusste nicht so recht, wo ihr Land in dieser Hinsicht stand. In Deutschland lebten mehr Menschen türkischer Herkunft als in jedem anderen europäischen Land, das war klar. Aber als führende Nation der EU hatte sich Deutschland einer türkischen Mitgliedschaft jahrelang widersetzt. Was würde am Ende den Ausschlag geben?
    Wenn andererseits die Terroristen wirklich orthodoxe Christen waren und wenn sie die Opfer auswählten, dann waren die muslimischen Männer und die Fremdenführerin in größerer Gefahr als der Rest von ihnen. Was sie selbst anging, so hatte sie den Terroristen erklärt, sie neige keiner Religion zu; das war ihr zu diesem Zeitpunkt am sichersten erschienen. Aber dieser Schuss konnte leicht nach hinten losgehen, wie ihr jetzt klar wurde. Möglicherweise empfanden sie einen Menschen ohne Religion als die größere Beleidigung.
    Gerade ließ der Psychopath mit den schiefen Zähnen, der den alten Mann abgeschlachtet hatte, sie wieder um das Omphalion herum Aufstellung nehmen, und sie schlurften wie die Zombies mit gesenkten Häuptern und schlaff herabhängenden Armen darauf zu. Hakan war der Anführer der Gruppe, die sie im Museum gefangen hielt, aber es gab eine Befehlsebene oberhalb von ihm, denn sie hatte einmal, als sie von der Toilette zurückkam, zufällig ein Telefongespräch von ihm mitgehört, bei dem er von irgendwem Anweisungen zu erhalten schien.
    Aber jetzt hatte wieder Hakan das Sagen, und er plusterte sich mächtig auf. Er schrie einen Befehl an seine Handlanger, und zwei Stühle wurden über den Boden geschleift und zusammen auf die mittlere Scheibe gestellt, der Kamera zugewandt. Eins der weiblichen Mitglieder der Bande legte dann ein Blatt Papier auf jeden Stuhl. Ihr Name war Eden. Von ihnen allen ließ sie am meisten Menschlichkeit erkennen. Sie hatte mit Hakan gestritten, als er befahl, dass man den Wachmann an den Kronleuchter hängen sollte. Und wenn sie Annaliese zur Toilette begleitete, respektierte sie ihre Privatsphäre, soweit es unter diesen Umständen möglich war. Das ließ sich von der anderen Frau unter den Terroristen nicht sagen, der es Spaß zu machen schien, die Geiseln ihres eigenen Geschlechts zu erniedrigen.
    Als sie alle um das Omphalion herum versammelt waren, stützte sich Hakan auf eine der Stuhllehnen und sprach zu ihnen. »Ich werde Englisch reden, und

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