Gottesgericht

Henry Matheson vom Byzantine Institute of America verfasst hatte. Er hatte zwei Seiten der Vision ausgewählt, eine davon die einzige illustrierte Seite des gesamten Manuskripts, und sie enthält die folgenden Worte, eine Art Rätsel: »Das Datum des Jüngsten Gerichts habe ich auf dieses Pergament geschrieben. Bis es gefunden und als wahr erkannt wird, kann niemand es aus diesem Buche lesen.«
    Jane verschwamm alles vor Augen. Sie würde den Rest ein andermal lesen müssen. Doch während ihr Blick müde über die Seite wanderte, stach ihr weiter unten etwas ins Auge, das Adrenalin durch ihre Blutbahn schießen ließ und sie schlagartig hellwach machte.
    Von Ketzern gesteuerte Maschinen werden wie Vögel vom Himmel stoßen und in die Zwillingszitadelle aus Glas und Stein fahren. Diese werden zu Säulen aus Feuer und Rauch werden und unter lautem Krachen einstürzen, und Tausende werden sterben. Als Folge der mörderischen Tat der Ketzer wird Vergeltung an Babylon geübt werden …
    Janes Herz schlug heftig. Sie ging zurück zu dem Punkt auf der Seite, wo ihre Aufmerksamkeit abgeschweift war.
    Die andere von Professor Matheson reproduzierte Seite war eine, auf der gewisse Zeichen in den Randspalten neben dem Text auftauchten. Es handelt sich nicht um ein Zierelement, sondern scheint sich in irgendeiner Weise auf den Text zu beziehen. Matheson bemerkte, dass ähnliche Markierungen überall im Buch auftauchen und immer neben Textstellen, die konkrete Voraussagen enthalten, das, was er »verifizierbare Ereignisse« nennt. Und es ist immer ein Punkt in einer Sequenz von sieben senkrechten, parallelen Linien, ein Punkt per Linie. Seiner Meinung nach soll es das fragliche Stück Text betonen, wie wir es heute mit einem Neonmarker machen würden. Aber da sich die Anordnung der Markierungen ständig ändert, schließt er auch die Möglichkeit nicht aus, dass es sich um eine Art Code handelt.
    Matheson hat die reproduzierte Seite ausgewählt, weil sie diese »Ausrufezeichen« in der Randspalte neben einer Prophezeiung zeigt, die gespenstisch genau zutraf und 2005 noch nicht lange zurücklag. Wenn man bedenkt, dass die Christen in Gormans Zeit den Islam als eine ketzerische Sekte ansahen und dass man für Babylon Irak lesen kann, scheint Gorman wirklich und wahrhaftig den Angriff auf das World Trade Center von 2001 vorhergesehen zu haben.
    Jane war erstaunt. Es war Lavelle selbst gewesen, der einmal warnend bemerkt hatte, wann immer schriftliche oder mündliche Prophezeiungen allzu genau zutrafen, stellte sich in der Regel heraus, dass sie im Nachhinein verfasst oder ausgesprochen wurden. Aber das war in diesem Fall schlicht nicht möglich. Natürlich konnte es Zufall sein, doch wie wahrscheinlich war das?
    Ihre plötzliche Wachheit begann zu schwinden, da die einschläfernde Wirkung ihres Erkältungsmittels einsetzte. Sie musste Lavelles Skript beiseitelegen, obwohl sie nur noch eine Seite zu lesen hatte.

29
    Nach den Zehn-Uhr-Nachrichten auf TalkRadio am nächsten Vormittag teilte Jane ihren Hörern mit, sie habe eine wichtige Information für sie: Wie sie aus einer zuverlässigen Quelle erfahren habe, befinde sich die sogenannte Belisarius Brigade, deren Verschwinden die angespannte Situation im Mittelmeerraum verursacht hatte, keineswegs in der Nähe der Halbinsel Athos in Griechenland.
    In dem Wissen, sich möglicherweise anzuhören, als hätte sie ihre Informationen von einem griechischen Regierungsvertreter bekommen, fuhr sie fort, aus einem Skript zu lesen, das sie am Morgen unterbrochen von Niesanfällen verfasst hatte: »Und ich kann Ihnen auch enthüllen, dass die Bande am Morgen, nachdem sie ein türkischer Militärhubschrauber auf einer griechischen Insel abgesetzt hatte, von einem Schiff aufgenommen wurde, das anschließend die Ägäis verließ und nach Ägypten fuhr, wo es den Sueskanal durchquerte. Offenbar hat die ägyptische Regierung unter Zwang eingewilligt, sie ein historisches Dokument untersuchen zu lassen, das mit dem Propheten Mohammed in Verbindung steht und im Katharinenkloster auf dem Sinai aufbewahrt wird. Das Schiff ist, vermutlich mit der Bande an Bord, inzwischen auf dem Rückweg durch den Kanal oder hat möglicherweise bereits das Mittelmeer erreicht. Ich habe mich zur Ausstrahlung dieser Information entschlossen, weil ich hoffe, dass, wenn sie sich als wahr herausstellt – und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln –, Israel sich vielleicht dazu überreden lassen wird, seine Aktivitäten