Gottesgericht
Aufregung über eine Geschichte, die früher oder später ohnehin bekannt geworden wäre?«
»Der Botschafter wollte nur bestreiten können, dass es von uns gekommen war. Wir sollten uns stillhalten, bis alles geregelt war und die Amerikaner ihren Teil erledigt hatten.«
»Was aber wohl kaum auf einen Grund hinausläuft, jemanden zu ermorden.«
»Sollte man meinen. Andererseits wollte ich keineswegs andeuten, dass unsere Leute Ersin getötet haben.«
»Wer dann?«
»Wer durch seine Enthüllung am meisten zu verlieren hatte.«
»Die Belisarius Brigade?«
»Richtig, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie über die Ressourcen verfügt, unser Außenministerium zu infiltrieren. Um so etwas zu tun, brauchen sie die Hilfe einer fremden Regierung. Es erfordert jahrelange Planung.«
»Denken Sie an ein bestimmtes Land?«
»Griechenland höchstwahrscheinlich. Wenn man unsere belastete Beziehung bedenkt. Und das Thema der Hagia Sophia und so weiter.«
»Aber da gibt es auch noch Armenien und die Kurden. Oder vielleicht eine Fraktion innerhalb Ihrer eigenen Regierung, die zu schmutzigen Tricks greift.«
Orhun seufzte. »Sie haben recht, die Liste der Möglichkeiten ist lang. Sinnlos, zu …«
Jane hatte eine Hand ans Ohr gelegt, um besser zu hören. Bethann weinte irgendwo im angrenzenden Haus. Sie war vermutlich hingefallen oder hatte mit Scott oder einem der anderen Kinder gerauft.
Orhun hörte es ebenfalls und setzte sich auf. »Hören Sie, Jane, ich entschuldige mich dafür, so in Ihr Privatleben eingedrungen zu sein. Ich war wohl ein bisschen paranoid. Können Sie mir vergeben?«
»Solange Sie nicht vergessen, dass es Ihnen auf keinen Fall eine Art Kontrolle über mich verleiht, wenn Sie mir Informationen zukommen lassen.«
»Akzeptiert.«
Jane stand auf.
Orhun erhob sich ebenfalls und schnippte ein imaginäres Stäubchen von seinem Nadelstreifensakko. »Es wundert mich, dass Sie mich nicht gefragt haben, was sich in der Welt tut, seit Sie die Bombe platzen ließen.«
»Ich hatte Angst davor. Sie sagten, der Teufel ist los.«
»Nicht wirklich«, antwortete er mit einem Lächeln. »Israelische Kampfflugzeuge sind ein paar Aufklärungseinsätze über den Sueskanal geflogen. Kairo hat ihn daraufhin zu einer Flugverbotszone erklärt, in der in diesem Augenblick die ägyptische Luftwaffe Patrouille fliegt. Bedeutender für uns ist aber, dass Israel seine Schiffe aus der Ägäis abzieht.«
»Gute Nachrichten für die Türkei also?«
»Ja. Es wäre wohl so oder so passiert, aber dass Sie an die Öffentlichkeit gegangen sind, hat die Sache beschleunigt.«
»Hm. Ich komme nicht umhin, mich irgendwie manipuliert zu fühlen.«
»Aber es war Ihre Entscheidung, die Story zu verbreiten, Jane«, sagte er und fügte an: »Schließlich sind Sie mehr als nur ein Überbringer, oder?«
Jane funkelte ihn böse an.
»Ich merke schon, es ist Zeit für mich zu gehen.«
Sie führte ihn in den Flur. »Auf Wiedersehen, Demir«, sagte sie und öffnete die Tür. »Wenn Sie das nächste Mal Ihren Erfolg mit jemandem teilen müssen, schlage ich vor, Sie rufen Recep in Ihr Büro.«
Orhun ging hinaus und drehte sich um, um etwas zu sagen.
Aber Jane schloss bereits die Tür.
30
Sein Herz schlug heftig. Vielleicht gab es eine logische Erklärung für das, was er gerade entdeckt hatte. Aber Bruder Petros befürchtete das Schlimmste.
Die amerikanische Expertin, der sie die Untersuchung des Ahdname erlaubt hatten, war vor einigen Tagen gekommen und wieder abgereist. Zu der Gruppe, die eingetroffen war, hatten drei Vertreter der ägyptischen Regierung gehört, ein wie eine Ninja-Kriegerin aussehendes asiatisches Mädchen, das er für die Assistentin der Expertin oder möglicherweise ihre Leibwächterin hielt, und die Paläografin selbst.
Er hatte keine Frau erwartet. Nicht dass Frauen im Kloster nicht zugelassen waren. Aber als einer der Bibliothekare, die Englisch sprachen, sollte er ihr bei ihrem ganztägigen Besuch zur Seite stehen. Und sie war relativ jung, Mitte dreißig, schätzte er, und sehr attraktiv.
Ihr Name war Dr. Barbara Kelsey, und nachdem sie einander am Morgen vorgestellt worden waren, hatte er sie durch die Bibliothek geführt. Der Abt hatte die Ägypter zu Erfrischungen eingeladen, gefolgt von einer zwanglosen Tour durch das Kloster, während die Leibwächterin oder was immer sie war, sich am öffentlichen Eingang zur Bibliothek postiert hatte. Der für Besucher zugängliche Teil war an diesem Tag geschlossen,
Weitere Kostenlose Bücher