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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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und zweiten Klasse – Körperteile des Heiligen oder Dinge, die er zu Lebzeiten getragen oder berührt hatte.
    Doch viele von Grubers Reliquienschreinen waren fehlerhaft. Die Edelsteine etwa waren entfernt worden, das Blattgold abgetragen oder beschädigt, oder sie waren schlicht primitiv gemacht. Andere waren von beträchtlichem künstlerischem Interesse, oder es wohnte ihnen ein eigener Wert inne, aber sie waren unmöglich zu identifizieren oder zu kategorisieren. Und in diese Richtung ging die nächste Erkundigung des Direktors.
    »Es gibt einen besonderen Bereich hochwertiger Reliquienschreine bei Ihnen, die uns vor gewisse Schwierigkeiten stellen, nicht wahr?«
    Schiegl war ein kleiner, rundlicher Mann mit dem Aussehen eines Prälaten, aber sein Flirt mit dem Leben im Priesterseminar hatte nur ein Jahr gedauert. Gruber hatte nie erfahren, warum der Direktor nicht weitergemacht hatte, aber man konnte wohl sagen, dass er eine Parallelkarriere in kirchlichen Dingen eingeschlagen hatte, in dem Sinn, dass er ein Experte für sakrale Antiquitäten war und mehrere Ausstellungen im Lauf der Jahre als Kurator betreut hatte.
    »Ja, Herr Direktor. Die Schwierigkeit kann darin bestehen, die Herkunft eines Reliquienschreins festzustellen oder ihn einem bestimmten Heiligen zuzuschreiben. Oder er kann schwer zugänglich sein, sodass wir nicht genau wissen, was er enthält. Es kann sogar die Frage auftauchen, ob es sich überhaupt um einen Reliquienschrein handelt.«
    »Hm.«
    »Erwägen Sie, diese Objekte aus dem Museum zu entfernen?«
    »Nein«, sagte der Direktor, sichtlich verwirrt über die Unterstellung.
    Gruber ohrfeigte sich innerlich. Es war ein großes Manko von ihm, dass er ständig versuchte vorwegzunehmen, was jemand sagen würde, und in der Regel falsch damit lag.
    »Nein. Ganz und gar nicht. Ich möchte, dass Sie etwas für mich suchen. Einen Schrein, der all die Punkte erfüllt, die Sie umrissen haben.«
    »Ach so?«
    Bei einigen früheren Gelegenheiten hatte ihn der Direktor gebeten, eine seiner Reliquien zur Verfügung zu stellen, um ein bestimmtes Thema zu illustrieren oder eine Lücke zu füllen, wenn die vielen Formen und Größen gezeigt wurden, in denen es sie gab. Und das war nun Grubers zweiter Gedanke. Schiegl plante eine weitere Ausstellung. Oder er war eingeladen worden, einige Objekte zu einer Ausstellung im Ausland beizusteuern. Das war bisher zweimal passiert, und bei diesen Gelegenheiten hatte Schiegl ihn gebeten, welche auszuwählen, die den im Museum ausgestellten erstklassigen Exponaten ähnelten. Der Direktor war nicht scharf darauf, dass seine Lieblingsstücke auf Reisen gingen.
    »Vor einigen Jahren haben Sie mir ein Objekt aus einem Kloster in der Nähe Wiens gezeigt, das sich seiner Reliquienschreine entledigte«, fuhr Schiegl fort. »Es hatte die Größe eines Schuhkartons, wenn ich mich recht erinnere. Mit Silber überzogen und mit einem Ornament auf dem Deckel. Und der Deckel war unlösbar mit dem Behälter verbunden. Ich glaube, wir haben es als schatullenartigen Schrein kategorisiert und waren uns einig, dass es wahrscheinlich byzantinisch ist, aber Sie sagten, es gehöre in keine Ihnen bekannte Kategorie.«
    »Ja, Herr Direktor, ich erinnere mich. Wir kennen nicht alle Aspekte byzantinischer Reliquienverehrung, und aus diesem Grund dachte ich, ich sollte …«
    »Ja, ja … noch einige weitere Studien durchführen. Haben Sie mehr darüber herausgefunden?«
    Gruber nahm seine Brille ab und ließ sie auf die Brust hängen. »Vieles spricht dafür, dass das Objekt zusammen mit anderen Schätzen zur Zeit des vierten Kreuzzugs aus Byzanz kam. Es fand seinen Weg in das Kloster, wo man es als Reliquienschrein ansah und ganz ließ, anstatt es zu Kirchensilber einzuschmelzen. Ich glaube, das war zum Teil auch den Schuldgefühlen zu verdanken, die man vielerorts im westlichen Christentum über die Plünderung Konstantinopels empfand. Aus Rom erging damals die Weisung, religiöse Gegenstände aus der Beute, die an Klöster und Kirchen gingen, seien mit Respekt zu behandeln.«
    »Ja, ja, aber gab es keinen weiteren Hinweis auf seine Herkunft?«
    »Nein, Herr Direktor.«
    »Keine Zurückführung auf einen Heiligen?«
    Gruber schüttelte den Kopf.
    »Auf Jesus oder Maria?«
    »Nein.«
    »Hm. Umso besser, würde ich meinen«, sagte Schiegl rätselhafterweise. Er beugte sich vor und sah Gruber mit einem Anflug von Misstrauen an. »Und Sie haben keine Ahnung, was drin ist?«
    »Nein. Wir können

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