Gottesgericht
aus dem 8. Jahrhundert. Ihr Führer war ein psychopathischer Asket, der verschiedene Formen der Selbstverstümmelung praktizierte und predigte. Hazel erreichte den Rang einer »roten Märtyrerin«, was bedeutete, sie hatte sich dafür qualifiziert, ihr Leben für die Sache zu opfern. Deshalb schickten sie sie auf eine Selbstmordmission. Sie trainierten sie, Päckchen mit Sprengstoff zu schlucken, so wie es Drogenkuriere mit Stoff machen. Damit stahl sie sich dann auf ein Friedenskonzert in Bethlehem und wurde zu einer der ersten Frauen, die sich bei einem solchen Angriff selbst in die Luft sprengten …« Sie hielt inne, um ihre Worte wirken zu lassen.
»Das Friedenskonzert im Westjordanland – ich weiß«, sagte Orhun. »Wir … ich meine, ich dachte, die Bombe sei das Werk von Palästinensern gewesen.«
Jane war kurz verwirrt über seine Reaktion, ging aber zunächst nicht darauf ein. Das würde sie später tun.
»Das war das, was die Israelis damals behaupteten«, fuhr sie fort. »Es gab Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen, die Situation war sehr angespannt. Was alles zum Plan der Sekte gehörte, Gormans letzte Prophezeiung wahr werden zu lassen. Ein Konflikt zwischen Muslimen, Christen und Juden, der zu einem umfassenden Atomkrieg führt.«
Orhun schüttelte traurig den Kopf. »Was für ein Wahnsinn. Bitte fahren Sie fort.«
»Ich fand mithilfe eines katholischen Priesters namens Liam Lavelle heraus, was Hazel vorhatte, aber es war zu spät, wir konnten sie nicht mehr daran hindern, ihre Mission auszuführen. Es gelang uns allerdings, den Gründer und Anführer der Sekte, der sich zu dieser Zeit in Irland aufhielt, in eine Falle zu locken. Er wurde von der Polizei erschossen. Das war das Letzte, was ich …«
Es klopfte an der Tür.
Orhun legte den Zeigefinger an die Lippen.
Die Tür ging auf, und Sema kam mit einem Tablett herein, das sie auf ein Sideboard gleich neben dem Eingang stellte.
Sie dankten ihr, und Orhun forderte Jane mit einer Handbewegung auf, sich zu bedienen.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich lieber erst das hier erledigen«, sagte sie und zog Lavelles Kuvert aus ihrer Tasche.
»Unbedingt«, sagte er. »Unsere Sandwichs zu essen, während wir über den Tod Ihrer Schwester und Ihres Mannes reden, wäre respektlos.«
»Ehrlich gesagt würde es mich nicht stören. Zumindest nicht, was Hazel angeht. Die Zeit hat es leichter gemacht.«
»Hm. Ich bin immer noch schockiert, was Ersin zugestoßen ist. Und morgen ist sein Begräbnis. Ich fliege heute Abend nach Ankara. Aber was ich Ihnen gestern noch sagen wollte, als ich ging, war, wie sehr ich Ihre Anteilnahme am Sonntag, als Recep mir die Nachricht überbrachte, zu schätzen wusste. Danke.«
»Das ist nicht der Rede wert«, sagte sie. »Aber um auf KOSS zurückzukommen, wie sich die Sekte jetzt nennt … Ich habe bis Ende letzten Jahres nichts mehr von ihnen gehört. Da haben sie versucht, eine Hellseherin in die Hände zu bekommen, die eine unheimliche Begabung hatte, die Zukunft vorauszusagen – zumindest kurzfristig. Sie war in einer Sendung aufgetreten, die ich produzierte, und es hat mich wieder in ihren Fokus gebracht, sodass …«
Orhun hatte die Hand gehoben, weil er eine Frage stellen wollte. »Wieso waren sie an dieser Hellseherin interessiert?«
Jane erklärte die Verbindung der Sekte mit Reverend R. J. Harper und seinen Endzeitprophezeiungen. Dann fügte sie an: »Vermutlich dachten sie auch, wenn sie in der Lage wären, Ereignisse genau vorherzusagen, die ein, zwei Tage später die Börsen auf der ganzen Welt beeinflussen, könnte das eine echte Geldmaschine für sie sein. Geld war auch das Motiv, als sie meinen Priesterfreund vor ein paar Jahren auf den Philippinen entführt und zwei Millionen Dollar Lösegeld verlangt haben – klingt bekannt, oder? Als sie dann entdeckten, wer er war, setzten sie ihn einer Infektion aus, an der er letzte Woche hier in Dublin schließlich gestorben ist. Aber er hat mir ein paar Aufzeichnungen über die Vision des Gorman hinterlassen, das Buch mit Prophezeiungen, für das sich KOSS so begeistert. Lesen Sie das hier …« Sie reichte ihm Lavelles handschriftliche letzte Seite.
»Ich nehme an, Sie werden mir jetzt gleich beweisen, dass KOSS die Leute hinter der Besetzung der Hagia Sophia sind«, sagte er, als er das Blatt nahm.
»Sehen Sie selbst, was Sie davon halten.«
Orhun brauchte nur ein paar Sekunden, es zu lesen. »Hm …«, murmelte er und gab ihr die Seite
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