Gottesgericht
Ihr Schweigen einen Gefallen tun. Und die Bande würde womöglich nie ihrer gerechten Strafe zugeführt. Sie haben Menschen ermordet und sollten zumindest gefasst und vor Gericht gestellt werden.«
»Ich stimme zu – in allen Punkten. Jetzt erzählen Sie.«
»Ist Ihr Handy sicher?«
»Das kann ich nicht garantieren.«
»Dann riskiere ich es lieber nicht. Ihr Freund wurde für weniger getötet. Besser wir treffen uns irgendwo.«
»Warum nicht hier in der Botschaft? Haben Sie schon gegessen? Ich könnte ein Sandwich organisieren.«
Zum ersten Mal seit einer scheinbaren Ewigkeit huschte ein Lächeln über Janes Gesicht. »Sie verstehen es wirklich, eine Dame zu verwöhnen. Ich bin schon unterwegs.«
Sie stand auf und strich das schwarz-weiß gemusterte Kleid glatt, das sie am Morgen ausgesucht hatte. Es passte gut zu der langen schwarzen Jacke, die sie während der Sendung über die Lehne des Studiosessels gehängt hatte.
Ehe sie das Studio verließ, sammelte sie die Zeitungen ein, die sie vor Beginn der Sendung gelesen hatte. Eine der Titelgeschichten hatte erheblich zu ihrer Nervosität während der letzten Stunden beigetragen. Ein Scharmützel zwischen einem israelischen und einem ägyptischen Kampfflugzeug hatte zum Absturz der ägyptischen Maschine geführt. Der Pilot hatte sich mit dem Schleudersitz retten können, aber das Flugzeug war in ein Treibstofflager am Ufer des Kanals gestürzt, und dieser war vorübergehend für die Schifffahrt gesperrt worden. Als Vergeltung für die israelische Aktion kündigte der Iran an, er werde seine Kriegsschiffe im Roten Meer in den Golf von Akaba schicken, wo die Israelis einen Marinestützpunkt hatten. Der Aufruhr, der im nördlichen Mittelmeer begonnen hatte, drohte nun, den gesamten Nahen Osten zu erfassen.
33
Orhuns geräumigem Büro im zweiten Stock einer roten Ziegelvilla sah man noch an, dass es einmal der Salon eines Vorstadthauses gewesen war. Als seine Sekretärin Jane hineinführte, stand er am Fenster und sah hinaus wie beim letzten Mal, als sie ihn getroffen hatte. Er kam und begrüßte sie mit einem formellen Handschlag, während die Sekretärin an der offenen Tür wartete.
»Tee oder Kaffee?«, fragte er. Er hatte kein Sakko an und trug ein fliederfarbenes Hemd mit einer silbern und purpurn gestreiften Krawatte.
»Kaffee, bitte.«
»Für mich das Übliche, Sema. Und Sie haben vorhin Sandwichs kommen lassen, was gibt es?« Er sah Jane an. »Sie sind von einem fantastischen italienischen Feinkostladen, in dem wir immer einkaufen.«
Sema, eine elegante Frau mit bezauberndem Auftreten, zählte eine kleine Auswahl auf, und Jane entschied sich für eines mit Chili-Ziegenkäse, roter Paprika und Ruccola.
Als sie gegangen war, wies Orhun auf einen großen Kamin mit zwei grünen Ledersesseln davor.
»Leider kein Feuer heute, aber ich sitze mittags lieber mit einem Sandwich hier, als dass ich ausgehe. Es ist wie in einem altmodischen Herrenclub.«
»Mit altmodischer weiblicher Bedienung, hm?«, sagte sie, nahm in einem der Sessel Platz und stellte ihre Umhängetasche auf dem Teppich daneben ab.
»Machen Sie sich keine falschen Vorstellungen über Sema. Sie ist eine hoch ausgebildete Mitarbeiterin des militärischen Abwehrdienstes. Sie spielt nur gern die Sekretärinnenrolle voll aus.« Er sah sich im Zimmer um. »Ich glaube, das Haus hier hat diese Wirkung auf sie.«
Jane sah ihn skeptisch an.
Orhun lächelte. »Ich mache natürlich nur Spaß.« Er erklärte, dass Semas Mann ein hochrangiger Diplomat in der Botschaft war und dass sie eine achtjährige Tochter hatten. »So, was haben Sie mir zu sagen?«
Jane hatte unterwegs darüber nachgedacht. Sie würde nicht einfach damit herausplatzen.
»Zuerst muss ich Ihnen ein paar Hintergrundinformationen geben.«
Er zuckte mit den Achseln. »Wenn Sie müssen.«
»Bei unserer Unterhaltung am Sonntag kamen wir auch auf die Explosion zu sprechen, die meinen Mann getötet hat. Ich hatte Ihnen zuvor schon davon erzählt, aber ohne Einzelheiten.«
»Außer dass es sich um eine Verwechslung gehandelt hatte.«
»Es war keine Verwechslung. Es war eine vorsätzliche Tat, die mich ebenfalls töten sollte.«
Orhun runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
»Vor etwas mehr als elf Jahren entdeckte ich, dass meine Schwester in einer fanatischen, in den USA beheimateten Sekte war. Sie nannten sich die Hüter des Siebten Siegels und glaubten an die Weltuntergangsprophezeiungen eines als Gorman bekannten irischen Mönchs
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