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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Eisbett, das ein wenig nach Ebbestrand roch. Niemand konnte behaupten, die schleimige grauweiße Masse sähe appetitlich aus. Inger Johanne schaute zu Karen hinüber, die aus einer Schale eine Mischung aus Rheinwein und Essig auf die Austern tropfen ließ, ehe sie die erste Schale an den Mund hob und den Inhalt heraussaugte. Mit geschlossenen Augen schluckte sie und rief: »Perfect!«
    Inger Johanne tat es ihr gleich.
    Die Austern waren das Köstlichste, was sie je gegessen hatte.
    »Inger«, sagte Karen, als die Schalen leer waren. » Tell me more. Tell me everything. Absolutely everything! «
    Sie sprachen über die Studienzeit und gemeinsame Freunde von damals. Über Familien und Eltern, Freude und Frustrationen. Über die Kinder. Sie redeten, lachten und fielen sich gegenseitig ins Wort. Das kleine Lokal hatte eine hoffnungslose Akustik, Karens lautes Lachen prallte von den hohen Mauern ab und störte die anderen Gäste. Trotzdem war der Kellner gleichbleibend freundlich und füllte ihre Gläser diskret nach, wann immer sie fast leer waren.
    »Karen, ich muss dich etwas fragen.«
    Inger Johanne schaute auf ihren vierten Gang, eine Wachtel auf einem Bett aus Topinamburpüree. In einem Ring um den winzigen Vogel lagen kleine Streifen Parmaschinken, hier und da leuchtete eine eingelegte Minitomate.
    »Erzähl vom APLC«, bat sie.
    »Woher weißt du, dass ich dort arbeite?« Karen wischte sich vorsichtig mit der riesigen Stoffserviette die Lippen, dann griff sie abermals zu Messer und Gabel.
    »Ich hab gegoogelt«, sagte Inger Johanne. »Ich arbeite gerade an einem Projekt, wo …«
    Karen lachte so sehr, dass die Gläser klirrten. »Jetzt sitzen wir seit zwei Stunden hier, und noch immer haben wir uns nicht erzählt, wo wir arbeiten und was wir machen. Lass hören!«
    Und Inger Johanne erzählte. Sie sprach über ihre Arbeit am Institut für Kriminologie, über ihre Doktorarbeit, die sie bereits 2000 vollendet hatte, darüber, wie sie das Forschen liebte, während sie die Unterrichtspflicht, die zu ihrer Stellung gehörte, schwer ertragen konnte, und über die Freuden und Frustrationen beim Versuch, die Karriere und zwei anstrengende Kinder unter einen Hut zu bringen. Endlich brachte sie ihr aktuelles Projekt zur Sprache. Als sie fertig war, waren die Wachteln zu kleinen Skeletten geworden, und die Teller waren ansonsten leer.
    »Du musst uns besuchen«, sagte Karen energisch. »Was wir machen, ist ganz besonders relevant für deine Forschungen.«
    »Und jetzt bist du dran«, sagte Inger Johanne. »Also los.«
    Sie bat den Kellner, mit dem nächsten Gang noch zu warten. Sie merkte, dass sie ein wenig zu viel getrunken hatte, aber das spielte keine Rolle. Wann hatte sie sich zuletzt in einem Restaurant so wohlgefühlt? Als der Kellner nachschenkte, lächelte sie deshalb dankbar.
    »Die Firma wurde 1971 gegründet«, fing Karen an und hielt das Rotweinglas ins Licht, um sich an der Farbe zu erfreuen. »Und zwar in Montgomery, Alabama. Die beiden Gründer, übrigens Weiße, waren in der Bürgerrechtsbewegung engagiert. Sie haben das Büro in erster Linie eröffnet, um gegen Rassismus zu kämpfen. Sie waren natürlich dauernd in den roten Zahlen.«
    Sie verstummte und schien nach einer Möglichkeit zu suchen, eine lange Geschichte in möglichst kurzer Zeit zu erzählen. »Anfangs war es wohl vor allem ein Büro für kostenlose Rechtsberatung. Aber da war ich natürlich noch nicht dabei!«
    Ihr Lachen brandete auf, und ein älteres Ehepaar zwei Tische weiter starrte verärgert zu ihnen herüber.
    »Damals ging ich noch nicht einmal auf die elementary school. 1981 eröffnete das Büro eine Nachrichtenabteilung. Es ging darum, unser einziges wirkliches Ziel besser zu erreichen: Vereinigte Staaten, die sich an ihr einst so revolutionäres Grundgesetz halten. In den ersten Jahren waren die Gegner vor allem white supremacy groups. «
    »Ku-Klux-Klan«, sagte Inger Johanne leise.
    »Die auch. Wir haben etliche Prozesse gegen Klanmitglieder gewonnen. Zweimal konnten wir sogar ihre Trainingslager schließen und ziemlich große aktive Zellen hochgehen lassen. Das Problem ist natürlich …«
    Sie seufzte ein wenig und nippte an ihrem Glas. »Der KKK ist nicht allein in der Arena. Wir haben Imperial Klans of America, Aryan Nations, Church of the Creator … You name it. Unsere nachrichtendienstliche Tätigkeit hat sich im Laufe der Jahre ausgeweitet, und derzeit haben wir wohl 926 verschiedene Hassgruppen überall in den USA

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