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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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entgegengeschlingert. Der Fahrer gähnte, als er an ihnen vorbeifuhr, zuckte aber zusammen, als plötzlich eine Katze auf die Fahrbahn schoss und ihn zwang, auf die Bremse zu treten.
    »Im tiefsten Herzen glaube ich, es war ein noch größerer Sieg, eine Präsidentin zu bekommen«, sagte Karen leise, als vertraue sie Inger Johanne ein gefährliches Geheimnis an. »Und wenn das mächtigste Staatsoberhaupt der Welt nach nur vier Jahren im Weißen Haus behauptet, aus familiären Gründen das Handtuch zu werfen, dann nehme ich mir das Recht, ihr nicht zu glauben.«
    Inger Johanne versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken. Nicht oft verspürte sie den Drang, die Geschichte der dramatischen Maitage des Jahres 2005 mit anderen zu teilen. Die Geschichte des Tages, den sie mit Helen Bentley in einer Wohnung in Frogner verbracht hatte, während die ganze Welt davon ausgegangen war, dass die Präsidentin der USA tot sei, war mit den Jahren zu einer eingekapselten Erinnerung geworden, die sie nur selten zur genaueren Betrachtung hervorholte. Sie musste schweigen, aus Rücksicht auf die Sicherheit Norwegens und der USA, und sie hatte alle Versprechen gehalten, zu denen sie sich damals verpflichtet hatte. Jetzt fühlte sie sich zum ersten Mal versucht, diese Versprechen zu brechen.
    »Ich habe noch nie von den › 25ern ‹ gehört«, sagte sie stattdessen. »Erzähl mehr.«
    Sie hatten den Gullhaug Torg erreicht.
    Karen hängte sich ihre Tasche über die andere Schulter. Sie öffnete zweimal den Mund, ohne etwas zu sagen, als wüsste sie nicht so recht, welche Worte sie wählen sollte.
    »Zorn«, sagte sie endlich. »Während der Rest der Hassbewegung sich an Wut, Vorurteilen und verkorkster Religiosität mästet, gründen Organisationen wie die › 25er ‹ auf heiligem Zorn. Das ist etwas anderes. Etwas viel Gefährlicheres.«
    Sie blieben auf der Brücke über die Akerselv stehen und beugten sich über das Geländer. Der Wasserstand war niedrig, und an den Ufern hatten sich schöne Eisskulpturen gebildet.
    »Wie … wie finanzieren diese Organisationen ihre Aktivitäten?«, fragte Inger Johanne.
    »Das wechselt«, antwortete Karen. »Was die extremen Kirchengemeinden angeht, so finanzieren sie sich wie alle anderen durch Spenden. Spenden und großzügige Anhänger. Sie kosten auch nicht so viel. Was die militanteren Gruppen angeht, so sammeln auch die bei ihren Glaubensgenossen. Aber wir haben zudem allen Grund zu der Annahme, dass ein Teil der Mittel solcher Organisationen aus schwerer Kriminalität stammt.«
    Sie legte eine Pause ein und musterte einen schönen dunklen Eisbogen zwischen drei Findlingen.
    »Ku-Klux-Klan und Aryan Nations zum Beispiel. Der KKK richtet seinen Hass seit jeher vor allem auf Afroamerikaner, und die Götter mögen wissen, wie viele sie im Lauf der Zeit umgebracht haben. Aryan Nations dagegen baut auf einer pseudotheologischen Vorstellung auf, dass die Angelsachsen Gottes auserwähltes Volk sind, nicht die Juden. Sie hassen natürlich auch Schwarze, aber die Juden sind für sie das eigentliche Pestvirus am reinen Leib der Menschheit. Sie haben in den Gefängnissen enormen Zulauf, und das war eine bewusste Politik ihrer Anführer. Ihr Geld holen sie sich aus …«
    Sie drehte sich zu Inger Johanne um und hob einen Finger der linken Hand nach dem anderen. »Betrug, Diebstahl, Drogen, Banküberfällen.« Dann hob sie auch den Daumen. »Und Mord. Mord auf Bestellung, zum Beispiel. Es gibt Leute, die so was vermitteln.«
    Inger Johanne wusste ungeheuer wenig über die Branche der Auftragsmörder, deshalb schwieg sie.
    »Ein Vermittler erhält eine Bestellung für einen Mord«, erklärte Karen. »Wenn das ausgesuchte Opfer zufällig schwul ist, kann man einen von denen anheuern, die meinen, dass solche Menschen sowieso sterben müssten. Wenn das Opfer schwarz ist, geht man zu einer Organisation, die …«
    Sie zuckte vielsagend mit den Schultern. »Du weißt schon«, sagte sie und schniefte.
    Ein Erpel hatte sich für die Nacht auf dem linken Flussufer niedergelassen. Jetzt holte er den Kopf unter dem Flügel hervor und starrte die beiden Frauen auf der Brücke an, in der Hoffnung auf trockenes Brot. Als nichts passierte, schob er den Kopf zurück und verwandelte sich wieder in einen dunklen Federball.
    »Was die › 25er ‹ angeht, über die wissen wir noch zu wenig«, sagte Karen. »Bisher wissen wir gerade mal so viel, um an ›The Order‹ zu denken, die in den Achtzigerjahren von Ausbrechern aus

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