Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
– es wird alle die verborgenen Kräfte und das glühende Mitgefühl ihres Wesens aufregen; denn sie wird sich freuen, durch die That beweisen zu können, daß sie Euch um Eurer selbst willen liebt. In jedem ächten Frauenherzen ist ein Funken himmlischen Feuers, der im hellen Tageslichte des Glückes erstorben schläft; der aber in der düstern Stunde des Mißgeschicks aufglimmt, und glänzt und in helle Flammen aufschlägt. Kein Mann weiß, was ihm das Weib seines Herzens ist – kein Mann weiß, was er für einen Schutzengel an ihr hat – bis er mit ihr durch die Feuerprobe dieser Welt gegangen.«
Es lag etwas in dem Ernste meines Wesens und in dem Bildlichen meiner Sprache, das die aufgeregte Einbildungskraft Leslie’s in Anspruch nahm. Ich kannte den Hörer, mit dem ich zu thun hatte, und indem ich den Eindruck verfolgte, den ich auf ihn gemacht hatte, schloß ich damit, daß ich ihn überredete, nach Hause zu gehen und sein betrübtes Herz vor seinem Weibe auszuschütten.
Ich muß gestehen, daß ich, alles dessen ungeachtet, was ich gesagt habe, eine kleine Besorgniß wegen des Ausgangs der Sache fühlte. Wer kann auf die Seelenstärke einer Frau bauen, deren ganzes Leben ein Kreis von Vergnügungen gewesen ist? Ihr fröhlicher Geist konnte sich vor dem finstern, abwärts führenden Pfade niedriger Demüthigung entsetzen, der ihm plötzlich gezeigt wurde, und an die sonnigen Gegenden sich anschließen wollen, in denen er bisher geschwelgt hatte. Ueberdieß ist im Modeleben das Verarmen mit so vielen bittern Kränkungen verbunden, wovon man bei den andern Ständen nichts weiß. – Kurz, ich konnte einer Zusammenkunft mit Leslie am nächsten Morgen nicht ohne Aengstlichkeit entgegen sehen. Er hatte ihr Alles erzählt.
»Und wie benahm sie sich dabei?«
»Wie ein Engel! Es schien fast eine Erleichterung für ihr Gemüth zu sein, denn sie schlang ihre Arme um meinen Nacken, und fragte mich, ob das Alles sei, was mich in der letzten Zeit so unglücklich gemacht habe? Aber das arme Kind,« setzte er hinzu, »kann die wirkliche Veränderung, die jetzt eintreten muß, nicht ertragen. Sie hat nur einen ganz allgemeinen Begriff von Armuth; sie hat nur davon in Dichtungen gelesen, wo jene stets mit der Liebe Hand in Hand geht. Sie fühlt bis jetzt noch keine Entbehrung, sie vermißt noch nicht die gewohnten Bequemlichkeiten oder feineren Genüsse. Wenn wir wirklich dahin kommen werden, die gemeinen Sorgen, die kleinen Entbehrungen, die einzelnen Erniedrigungen der Armuth zu erfahren – erst dann wird die wahre Prüfung eintreten.«
»Aber,« sagte ich, »wenn Ihr das Schwerste überstanden habt, ihr das Geheimniß zu eröffnen, so laßt die Welt dasselbe auch, je eher, desto besser kennen. Die Eröffnung mag demüthigend sein; allein es ist dann eine einmalige Qual und bald vorüber, während Ihr sie, im entgegengesetzten Falle, in jeder Stunde des Tags zum Voraus erduldet. Nicht die Armuth sowohl, als der Schein ist es, der einen zu Grunde gerichteten Mann quält – der Kampf zwischen einem stolzen Sinn und einem leeren Beutel – das Bemühen, einen nichtigen Schein zu erhalten, der bald vorüber gehen muß. Habt nur den Muth, Euch arm zu zeigen, und Ihr nehmt der Armuth ihren schärfsten Stachel.«
In dieser Hinsicht fand ich Leslie vollkommen vorbereitet. Er selbst hatte keinen falschen Stolz, und was seine Gattin betrifft, so besaß sie keine andere Sorge, als sich ihrem veränderten Schicksal anzupassen.
Nach einigen Tagen kam er Abends zu mir. Er hatte sein Wohnhaus geräumt und ein kleines Bauernhaus, wenige Meilen von der Stadt, eingenommen. Den ganzen Tag war er beschäftigt gewesen, Möbel hinauszusenden. Die neue Einrichtung bedurfte nur sehr wenige Gegenstände, und diese von der einfachsten Art. Das ganze glänzende Geräthe in seiner vorigen Wohnung war verkauft worden, die Harfe seiner Gattin ausgenommen. Diese, sagte er, sei mit dem ganzen Wesen ihrer selbst zu innig verschwistert, sie gehöre zu der Geschichte ihrer gegenseitigen Liebe; denn einige der süßesten Augenblicke ihres zärtlichen Verhältnisses wären die gewesen, wo er sich über das Instrument hingelehnt, und den schmelzenden Tönen ihrer Stimme gelauscht hätte. Ich konnte nicht umhin, über diesen Zug der romantischen Galanterie eines liebenden Gatten zu lächeln.
Er war jetzt im Begriff, nach der ländlichen Wohnung hinauszugehen, wo seine Gattin bereits den ganzen Tag über die Einrichtung derselben geleitet hatte. Meine
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