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Gottlose Küsse (Vampirgeschichten)

Gottlose Küsse (Vampirgeschichten)

Titel: Gottlose Küsse (Vampirgeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Kickers
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Stil, der uns heute Nacht aufnahm, kam mir
seltsam bekannt vor, ja, selbst die Gesichter der Gäste hatte ich schon einmal gesehen, oder? Ich
schaute mich verwirrt um. Es gab keinen leeren Tisch mehr in diesem Gastraum.
    Meine Freundinnen gingen zur Theke, um uns anzumelden. Ich setzte mich solange an einen
Tisch, an dem mir gegenüber bereits drei junge Leute, zwei Männer und ein Mädchen, saßen. Sie
grüßten mich freundlich, doch ihre Augen hatten einen seltsamen Ausdruck von Erwartung. Ich
fühlte mich unwohl trotz ihres Lächelns.
    Oberflächlich machten sie einen ganz normalen Eindruck, nur ihre Kleidung schien etwas
altmodisch zu sein, vielleicht aus den achtziger Jahren. Sie schienen mich zu beobachten, ganz
besonders einer von ihnen; gut aussehend, dunkelblonde, halblange Haare und wissende grüne
Augen mit fast mädchenhaften langen Wimpern.
    Verlegen blickte ich mich nach meinen Freundinnen um, die sich angeregt an der Theke mit
einigen der anderen Gäste unterhielten, doch ich konnte nicht hören, worüber sie sprachen. Alles
schien in Ordnung zu sein. Im Hintergrund war Musik zu hören, nichts Modernes, sondern die
traurige Ballade „Bridge over troubled water“.
    Die Gaststätte wirkte durch die kleinen Gruppen von Gästen nahezu überfüllt. Fast alle waren
zwischen Anfang 20 und Mitte 40. Ich hatte das Gefühl, in einer Art Fernsehwerbung zu sein: Alle
sahen hübsch
aus, wirkten sympathisch, fast zu normal. Etwas irritierte mich. Keiner der
Anwesenden rauchte. Es gab auch keine Aschenbecher auf den Tischen und keiner von ihnen trank
etwas, das aussah wie Bier oder Wein. Einige hielten zwar silberne Becher in den Händen, doch
deren Inhalt konnte ich nicht erkennen.
    Ich wunderte mich im Stillen, dass keine älteren Leute anwesend waren, wie es in dieser Art
Gasthöfen oft der Fall war. In diesem Augenblick richtete der junge Mann an meinem Tisch das
Wort an mich. Er hatte mich die ganze Zeit mit seinem Blick nicht losgelassen. Es schien, als konnte
er meine Gedanken lesen.
„Wir altern nicht“, sagte er schlicht.
    Seine Stimme war sanft und irgendwie hypnotisch. Ich blickte ihn etwas ratlos an und er
lächelte wieder. Dabei fiel mir auf, dass seine Begleiter unseren Tisch verlassen hatten und ich ganz
allein mit ihm war. Die Situation war mir unangenehm.
    „Wir müssen noch unsere Taschen aus dem Wagen holen“, sagte ich schnell, um einen
Vorwand zum Gehen zu haben, doch er legte rasch seine Hand auf meinen Arm und hielt mich
zurück mit den Worten: „Ihr braucht euer Gepäck nicht mehr. Du weißt es doch.“
    Ich blickte ihn wieder verunsichert an, spürte, wie zugleich eine panische Angst meine
Wirbelsäule hochkroch. Ich war fasziniert von diesem Jungen mit den grünen Augen, gleichzeitig
wollte ich weglaufen, raus aus dieser merkwürdigen Stadt. Stattdessen blieb ich wie angewurzelt
sitzen.
    Wie ein Netz zog sich etwas Unsichtbares um mich zusammen, wob mich ein in einen Kokon
aus Beklommenheit, Neugier und lauter unbekannten Gefühlen. Eines davon war das Gefühl,
angekommen zu sein. Aber wo?
    Mein Gegenüber schien darum zu wissen, denn mit der gleichen Ruhe und Gelassenheit wie
zuvor gab er mir die Erklärung, die Antwort, die ich in meinem Unterbewusstsein aus jenem Traum
schon kannte: „Wir sind Kinder der Dunkelheit. Wir alle. Bald wirst du verstehen.“
    Ich wollte etwas erwidern, laut lachen oder das Ganze als fürchterlichen Unsinn abtun, doch
ich war unfähig zu einer Bewegung. Stattdessen hörte ich mich fragen: „Wirst du es tun?“
Er nickte. „Du bist die Einzige von euch, die freiwillig kommt und die eine von uns werden
wird. Keiner der anderen wird dich anrühren.“
Noch bevor ich eine Frage stellen konnte, folgte eine Erklärung: „Du hast deine Welt gewählt
vor langer Zeit, als die Menschen dich immer wieder enttäuscht haben. Du hast dich so sehr
gesehnt.“
Meine Gedanken rasten. Ich suchte nach einem Ausweg. Alles, was ich bis dahin über diese
Geschöpfe gelesen oder gehört hatte, ging mir durch den Kopf und dazu noch weitere tausend
Fragen. Welche Möglichkeiten zur Flucht gab es? Welches Dasein erwartete mich? Waren sie
wirklich so grausam? So, wie ich sie jetzt sah, erschienen sie mir weniger als blutrünstige Wesen,
denn als hungrige Tiere. Es stand jedoch fest, sie würden keine von uns entkommen lassen. Bei den
vielen Gästen würde ich nicht einmal bis zur Tür kommen, noch weniger würde man mich
durchlassen, um meine Begleiterinnen an der

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