Gottlose Küsse (Vampirgeschichten)
antworten, aber da hatte sie sich schon über ihn gebeugt und er spürte einen scharfen,
stechenden Schmerz an seinem Hals. Sein Körper bäumte sich auf, doch sie drückte ihn mit
ungeahnter Kraft nieder und genoss ihre Rache und sein Blut. In dieser Nacht tötete sie zum ersten
Mal.
Les
sandro war wütend. „Du hast wegen dieser albernen Teenageraffäre unsere Existenz aufs
Spiel gesetzt. Was denkst du, werden die Menschen denken, wenn sie einen Toten mit zwei
Bissmalen am Hals finden?“
Er hatte noch in der Nacht geholfen, Richards Leiche zu verstecken. Zornig stieß er eine der
alten Urnen in der Krypta um, die in tausend Scherben zerbrach und ihren pulvrigen grauschwarzen
Inhalt auf den Boden verstreute.
„Wir können hier nicht mehr bleiben. Morgen Nacht werden wir unsere Ruhestätte verlassen
müssen und es ist fraglich, ob wir jemals wieder so eine gute Gelegenheit finden werden“, schimpfte
er außer sich weiter.
Delia hatte seinen Zorn mit gesenktem Haupt stumm ertragen. Nun gut, es gab bestimmt
noch mehr Verstecke, aber das war es ihr wert gewesen, dachte sie. Den heutigen Tag würden sie
noch einmal hier verbringen können. Und das Morgen gehörte bereits zur Ewigkeit. Sie lächelte
kaum merklich.
Sie schliefen beide auf den Platten der steinernen Sarkophage. Blass, still, wie selbst aus
Stein gemeißelt, in einer nie enden wollenden Schönheit und Jugend. Ein bezauberndes, junges Paar.
So sahen sie die beiden Mädchen, die an diesem Tag die schwere Flügeltür der Kapelle
öffneten, um dort ihre kleinen Geheimnisse und den neuesten Klatsch auszutauschen. Eines der
beiden Mädchen war Richards neue Freundin. Offenbar hatte man seine Leiche noch nicht gefunden,
denn die beiden Teenager kicherten und lachten, als sie mit aller Kraft das Portal aufrissen und
gleich darauf erstarrten. Mit diesem schönen und zugleich schrecklichen Anblick hatten sie nicht
gerechnet. Aber dieser Anblick währte auch nicht lange. Die grelle Sommersonne war mit ihnen
durch das Portal getreten und brachte den beiden schlafenden Vampiren einen schnellen Tod. Sie
verbrannten zu Asche, die sich mit dem Inhalt der zerstörten Urne vermischte.
.
Delia hatte bis zuletzt noch gelächelt. Was hatte Zeit schon für eine Bedeutung? Galt es doch
nur, sie voll auszukosten.
* * *
Schattenkönige
Die Zeit gefriert in meinen Adern. Ich kann es fühlen. Und sie
– sie schaut mir beim Sterben
zu! Das Zimmer ist stockdunkel, und ich kann ihre Umrisse nur schattenhaft erkennen. Ihre Augen
reflektieren das wenige Restlicht wie die einer Katze. Aber ich weiß, dass sie mich sehen kann,
hilflos auf diesem Bett, wo wir ein paar Stunden zuvor noch so viel Spaß hatten. Ich hätte dieses
Biest töten sollen bevor – ich mich in sie verliebte. Aber bei Rebekka bin ich mir nie wirklich sicher
gewesen! Bis heute.
Ich erinnere mich noch an die Worte mei
nes Vaters: „Lass dich niemals mit einem von denen
ein.“ Dabei habe ich seine Begabung als Jäger geerbt. Ich kann sie riechen, ganz egal ob in einer
Großstadt in einem Straßencafé oder in den einsamsten Gegenden dieser Welt. Es ist immer der
gleiche Geruch von Tod und kaltem Blut. Nicht, dass mir mein Job Spaß machen würde. Seit dem
Tod meines Vaters sind es immer mehr geworden, und Jäger wie mich gibt es nicht mehr viele. Ich
verstehe nicht, warum andere Menschen sie nicht erkennen können. Die meisten von denen haben
Augen, in denen sich nichts mehr spiegelt als man selbst. Ich bin sicher, dass ihr diesen Typen auch
schon begegnet seid. Vielleicht wollt ihr es aber auch nicht sehen.
Ganz anders war das bei ihr. Sie gehört nicht zu diesen kleinen, bissigen Zecken, die nachts
ihr Unwesen treiben. Diese „Frischlinge“ sind leicht zu töten. Das Erbstück meines Vaters, ein
Kreuz aus reinem Silber mit der dolchartigen Spitze am unteren Ende benutze ich normalerweise
zum Pfählen. Dann geht alles sehr schnell. Aschezu Asche…
Rebekka konnte ich nicht töten! Sie muss zu den „großen Alten“ gehören, von denen mein
Vater mir mal erzählt hat. In ihren Augen liegt so etwas wie bengalisches Feuer. Wenn du
hineinsiehst, schleicht sich dieses Feuer in dein Gehirn, beherrscht deine Gedanken. Einer solchen
Macht bin ich noch niemals begegnet. Auch ihr Geruch ist ein anderer. Ein Hauch von blumiger
Vergänglichkeit umgibt sie, ein Duft wie in einer Grabkapelle. Schauer laufen über meinen Körper.
Sind es die Erinnerungen oder…
Ausgerechnet
in
dem
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