Gottlose Küsse (Vampirgeschichten)
meine Überlegungen. Sie
reichte mir ein Ticket. „Ihr Flug geht heute Abend um zwanzig Uhr zehn. Bitte seien Sie pünktlich!“
Heute Abend schon? Damit hatte ich nicht gerechnet, ich hatte ja nicht einmal einen Koffer gepackt!
Gerade wollte ich etwas erwidern, doch der unnahbare Blick hinter den übergroßen Brillengläsern
gebot mir, zu schweigen.
Ich
schaffte
es
gerade
noch
rechtzeitig
zum
Flughafen,
aber
wo
war
der
Abfertigungsschalter? Suchend blickte ich mich um. Auf dem Ticket stand immer noch kein Zielort.
Was sollte diese Geheimniskrämerei? Gerade wollte ich noch mal auf den Flugschein schauen, um
mir den Namen der Fluggesellschaft zu merken, da kam ein junger Mann in Fliegeruniform auf mich
zu.
„Sind Sie unsere Gewinnerin Monika?“ fragte er mich freundlich.
Ich nickte nur.
„Bitte folgen Sie mir. Ihr Flugzeug wartet bereits!“
Woher wusste der Typ, wer ich war? Außerdem hätte ich endlich gerne gewusst, wohin die
Reise gehen würde. Als hätte er meine Gedanken gelesen, drehte sich mein Begleiter um.0
„Ich bin sicher, es wird Ihnen dort gefallen. Wir wählen unsere Gäste sehr sorgfältig aus.“
Damit war ich genauso schlau wie vorher.
Das Flugzeug erinnerte mich an den Film Casablanca. Eine zweimotorige Maschine mit
Propellerantrieb! Das durfte doch nicht wahr sein. In welchem Jahrhundert war diese Firma stecken
geblieben? Trotzdem war ich froh, als ich mich endlich in die Polster des Sitzes fallen lassen konnte.
Die ganze Hektik der letzten Stunden machte sich bemerkbar. Noch bevor die Motoren ansprangen
war ich eingeschlafen.
Als ich erwachte, war es immer noch tiefste Nacht. Durch die kleinen Scheiben des
Flugzeuges konnte ich so gut wie nichts wahrnehmen außer der Dunkelheit, und ab und zu ein paar
Wolkenfetzen. Die Propeller brummten ihr eintöniges Lied. Die Innenkabine war nur schwach
beleuchtet, doch ich konnte deutlich erkennen, dass ich der einzige Passagier an Bord war. Vielleicht
gehörte das alles hier zum Gewinn und man hatte die Maschine nur für mich gechartert? Ein
bisschen Stolz erfüllte mich. Der junge Mann vom Flughafen brachte mir noch ein Getränk und ich
schlief wieder ein.
* * *
Ich wusste nicht einmal, wie ich in dieses Zimmer gekommen war. Irgendwie hatte ich jedes
Zeitgefühl verloren. Der Raum war groß, etwas altmodisch eingerichtet, aber durchaus behaglich.
Soviel konnte ich in dem Dämmerlicht erkennen. War es etwa immer noch Nacht oder schon
wieder?
In welchem Land befand ich mich eigentlich, und wie war ich aus dem Flugzeug
hierhergekommen? Ich musste dieser Sache endlich auf den Grund gehen und stand auf. Dabei
bemerkte ich, dass ich auf einem riesigen Himmelbett gelegen hatte. Die Vorhänge waren etwas
verschlissen. Es roch nach Staub, Alter und Lavendel. Gab es hier etwa kein elektrisches Licht? Nur
müde Gasfunzeln spendeten so etwas wie Helligkeit.
Ich verließ den Raum durch die zweiflügelige Holztür und fand mich in einem langen Gang
wieder, der ebenso schwach beleuchtet, zu einer großen Treppe führte. Diese wiederum mündete in
einem kathedralenartigen Foyer. Die alten Gemälde in den prächtigen Rahmen an der Wand zeigten
Personen, die mir völlig unbekannt waren. Personen aus verschiedenen Jahrhunderten. Ich bewegte
mich durch dieses schlossähnliche Anwesen wie durch einen Alptraum. Ich fand eine Bibliothek,
eine Art Atelier, in dem es nach Farbe roch, einen Salon, der auf Gäste zu warten schien, aber keine
Menschenseele.
Einmal rief ich la
ut „Hallo!!“, doch meine Stimme hallte wie ein Echo zurück, so dass ich
erschrak und mich lieber leise verhielt. Anscheinend hatte mich aber doch jemand gehört, denn der
junge Mann vom Flughafen war seltsamerweise auch wieder da. Diesmal trug er keine Uniform,
sondern einen etwas merkwürdigen Aufzug, bestehend aus einer schwarzen Hose und einem weißen,
mit Spitzen besetzten Hemd, welches ihm das Aussehen eines Piraten verlieh. Gehörte das etwa auch
zu dieser Reise. Hatte ich eine bestimmte Kleidervorschrift überlesen?
Mein Gastgeber sah meine Verwirrung und lächelte wieder. Irgendwie traute ich diesem
Lächeln nicht mehr.
„Darf ich mich vorstellen? Graf Nicolae Vasilescu. Keine Sorge. Sie waren so erschöpft von
dem Flug, dass ich Sie direkt in mein Domizilgebracht haben. Ich hoffe, Ihr Zimmer gefällt Ihnen“,
versuchte er, meine Unsicherheit zu überwinden. Ein echter Graf? Wie kam ich zu dieser Ehre?
„Wie lange dauert mein Aufenthalt eigentlich?“, wollte
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