Gottlose Küsse (Vampirgeschichten)
leise
Stimme vor dem Todeskuss.
* * *
Millennium
„Raubtiere, die ihrem Jagdinstinkt nachgehen, können nicht gnädig sein … aber wir können
es.“ Das waren die Worte eines netten jungen Mannes, die in dieser Nacht mein Schicksal
besiegelten. Sie werden mir unvergessen bleiben. In seinen Armen nahm ich Abschied von meinem
bisherigen Leben.
Es war kurz nach der Jahrtausendwende, als sich viele Menschen überall auf der Welt für
Esoterik und Parapsychologie zu interessieren schienen. Die Zeit der falschen Propheten
hatte
begonnen. Ich erinnere mich daran, dass dies schon irgendwo in der Bibel erwähnt wurde. 2012
schien ein Zauberwort zu sein. Ich persönlich hatte mich nie dafür interessiert. Allerdings - seit dem
Millennium waren die Karnevalstage voll von Hexen, Zauberern, Teufeln und anderen mystischen
Gestalten und es wurden jedes Jahr mehr. Alle waren sie damals auf der Suche nach einer Art
Magie, die ihre rücksichtslose, kalte Welt besser machen sollte. Eine Welt, in der es wenige Reiche
und Millionen von
Armen gab. Jeder Arbeitsplatz
wurde
hart umkämpft. Um ihr Volk zu
beschäftigen und von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken, zettelten einige kleinere Staaten
Bürgerkriege an. Unsere Währung verlor immer mehr an Wert und die Verzweiflung wuchs. Die
Menschen tanzten lachend am Abgrund, wohl aus Angst vor einer ungewissen Zukunft.
Auch meine Zukunft schien damals ungewiss, ich war Ende dreißig, nach zwei gescheiterten
Beziehungen eingefleischte Junggesellin und beruflich war auch nichts so, wie es sein sollte. Zwar
hatte
ich lange
Jahre
erfolgreich als Chefsekretärin in der Werbebranche
gearbeitet, doch
hintereinander hatten die Firmen Pleite gemacht, und ich war schon seit fast vier Jahren bei meinen
Eltern im Geschäft tätig, was mich allerdings geistig weniger forderte.
Mein Leben schlich
so dahin, in scheinbar
festgefahrenen Bahnen. Leise, wie
auf
Katzenpfoten, verging die Zeit und ich hatte immer noch kein Ziel vor Augen.
In zwei Jahren würden meine Eltern in Rente gehen, das Geschäft verkaufen und ich würde
wählen können zwischen Arbeitslosigkeit oder minderwertigen Aushilfsjobs, denn bei so vielen
Arbeitslosen standen die Chancen ab 40 trotz
einer
guten Ausbildung
und vielen Jahren
Berufserfahrung ziemlich schlecht. Also war auch ich auf der Suche nach etwas Unbestimmten und
das schon ziemlich lange. Etwas, das mich aus dieser Starre befreien sollte. Heute glaube ich, ich
habe es irgendwie angelockt. Und dann kam dieser Traum:
Ich saß wieder mal alleine mit meinen beiden Katzen und einem Glas Rotwein zu Hause und
schaute fern. Die Zeit verging, das Glas leerte sich, ich schlief ein und träumte von einer seltsamen
kleinen Stadt, in der sich mein Dasein für immer verändern sollte.
Am nächsten Morgen erinnerte ich mich genau an diese Vision, maß ihr jedoch keinerlei
Bedeutung bei. Ich trank zwei Tassen Kaffee als Frühstück und fuhr wie gewöhnlich zum Geschäft.
Seltsamerweise fühlte ich mich an diesem Tage richtig euphorisch und stritt mich nicht einmal mit
meiner Mutter, die ja gleichzeitig meine Chefin war, über jede Kleinigkeit herum, wie es sonst so oft
der Fall war.
Kurz nach Feierabend am späten Abend verließ ich den Laden. In der Dämmerung verspürte
ich plötzlich ein Gefühl der Leere
und eine
Sehnsucht in meinem
Herzen, die
nach einer
Entscheidung verlangte. Wieder kam mir dieser Traum in den Sinn und ich erinnerte mich an meine
Gefühle und Worte darin. Doch der Alltag und die Gewohnheit holten mich bereits am kommenden
Tag sehr schnell wieder ein und es folgte das Vergessen.
Ein halbes Jahr später sollte dieser Traum Wirklichkeit werden:
Gemeinsam mit zwei Freundinnen, Thea
und Marie, fuhr
ich in ein verlängertes
Wochenende, nur ein paar Tage aus der Stadt raus, nichts Besonderes. Es war Sommer, die Luft roch
verheißungsvoll und wir drei Mädels hatten gute Laune. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit trafen
wir in einem kleinen Ort ein, in der wir die Zimmer für eine Übernachtung gebucht hatten.
Als wir am Ortseingangsschild vorbeifuhren, das nur wenige
Sekunden von den
Scheinwerfern unseres Wagens erfasst wurde, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Ein Gefühl, dass
ich schon einmal hier gewesen war. Vom Dorf selbst war nicht viel zu erkennen. Es schien nur eine
Hauptstraße nur zu geben und recht wenige Straßenlaternen. Ein Kirchturm ragte als Silhouette
mahnend in den Himmel.
Auch der gemütliche Gasthof im altdeutschen
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