Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
geholfen«, sagte er grimmig, »von diesen Bartkratzern und Aderlassern.« Es war aber noch nicht lange her, daß sich die Ärzte aus der Innung der Barbiere hatten aussondern dürfen. Der Abate lächelte. »Ich glaube, Don Francisco«, sagte er, »dem Doktor Peral tun Sie unrecht. Er versteht sein Latein und seine Anatomie. Von seinem Latein kann ich es mit Sicherheit sagen.«
Dann aber verstummte er für eine kleine Weile. Er standim Rücken Goyas und schaute auf das Porträt, an dem dieser arbeitete. Agustín beobachtete ihn scharf. Der Abate gehörte zu dem Freundeskreise der Bermúdez, und Agustín glaubte wahrgenommen zu haben, daß die Aufmerksamkeiten, die er der schönen Lucía sagte und erwies, zuweilen mehr waren als die üblichen Galanterien eines mondänen Abate.
Jetzt also stand Don Diego vor dem Bilde Doña Lucías, und Agustín wartete gespannt auf das, was er sagen werde. Doch der sonst so beredte Herr äußerte sich nicht.
Vielmehr erzählte er weiter von Doktor Peral, dem großen Arzt. Der habe aus dem Ausland herrliche Gemälde mitgebracht, sie seien aber noch nicht ausgepackt, Doktor Peral suche ein Haus für seine Sammlung. Vorläufig habe er sich einen wunderbaren Wagen angeschafft, einen schöneren sogar, als Don Francisco ihn fahre. Die Karosserie sei in englischem Stil gehalten, vergoldet, den Bildschmuck habe Carnicero entworfen, der übrigens auch Doña Cayetanas Lever beigewohnt habe. »Auch er?« konnte sich Goya nicht enthalten auszurufen. Er befahl sich, ruhig zu bleiben, sich keine neue Welle der Wut und der Taubheit zu gestatten. Es gelang ihm, doch mit Mühe. Er sah sie alle, mit seinen Maleraugen sah er sie, den Abate, den Bartkratzer und den Carnicero, den Kleckser, den Pfuscher, der sich den Titel eines Hofmalers erschlichen hatte, wie sie herumsaßen, die drei Widerwärtigen, während man die Frau anzog und frisierte. Er sah sie schwatzen, sah ihre gespreizten Gesten, sah sie sich weiden am Anblick der Frau, und er sah die Frau ihnen zulächeln, hochmütig und trotzdem ermunternd.
Er hätte ja einfach selber hingehen können zum Lever der Frau. Für ihn hätte sie bestimmt ein tieferes, freundlicheres Lächeln als für die andern. Aber mit diesem Knochen mochte sie einen andern Hund locken. Er wäre nicht hingegangen, und wenn er die Sicherheit hätte, daß sie ihm sogleich ins Bett spränge. Nicht um ein Indien wäre er hingegangen.
Der Abate mittlerweile berichtete, sowie die Hoftrauer abgelaufen sei, in wenigen Wochen also, gedenke die Herzogineine Gesellschaft zu geben zur Einweihung ihres Schlößchens in Moncloa, des Palais Buenavista. Freilich sei es jetzt schwer, Pläne zu machen, infolge der militärischen Nachrichten von gestern.
»Was für militärische Nachrichten?« fragte Agustín, schneller als sonst. »In was für einer Welt leben Sie, meine lieben Freunde?« rief der Abate. »Bringe wirklich ich Ihnen die böse Nachricht als erster?« – »Was für eine Nachricht?« drängte Agustín. Und der Abate erwiderte: »Sie wissen wirklich nicht, daß die Franzosen Toulon zurückerobert haben? Beim Lever Doña Cayetanas war von nichts anderm die Rede. Abgesehen natürlich«, setzte er mit freundlicher Bosheit hinzu, »von den Aussichten des Costillares beim nächsten Stiergefecht und von dem neuen Wagen des Doktor Peral.« – »Toulon ist gefallen?« fragte heiser Agustín. »Die Nachricht scheint schon vor einigen Tagen eingetroffen zu sein«, antwortete der Abate, »man hat sie wohl zurückgehalten. Ein ganz junger Offizier hat die Festung zurückerobert, unserer und der englischen Flotte vor der Nase weg, ein einfacher Hauptmann. Buonafede oder Buonaparte oder so ist der Name.«
Goya sagte, und es war nicht zu erkennen, ob in seiner Stimme Schmerz war oder Zynismus: »Nun ja, dann werden wir bald Frieden haben.« Agustín schaute ihn finster an. »Wenige in Spanien«, grollte er, »werden wünschen, daß der Friede auf solcher Grundlage zustande kommt.« – »Manche werden es gewiß nicht wünschen«, stimmte der Abate zu.
Er sprach leichthin und zweideutig, und die andern schauten hoch. Es war viel Zwielicht um den Abate. Seit Jahren trug er den Titel »Sekretär der Inquisition«, selbst der neue, sehr fanatische Großinquisitor hatte ihm den Titel belassen. Einige sagten geradezu, Don Diego spioniere für die Inquisition. Andernteils war er eng befreundet mit fortschrittlichen Staatsmännern, es hieß, er sei der Autor gewisser Werke, die unter dem Namen
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