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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hübschem Wohnzimmer, das Kohlenbecken war hoch gefüllt, beide fühlten sich faul und behaglich, wiewohl sie wußten, daß einiges zu besprechen war. Pepa hatte eine seltsam schamlose Art, einem unverwandt das Gesicht zuzukehren, ein sehr weißes Gesicht mit breiter, niedriger Stirn unter schönem, rotblondem Haar und grünen, weit auseinanderstehenden Augen.
    »Wie hast du die letzten Tage verbracht?« fragte schließlich Francisco. Sie hatte gesungen, sie hatte drei hübsche Couplets gelernt, welche María Pulpillo in der neuen Zarzuela sang, dann hatte sie Karten gespielt mit der Dueña; es war merkwürdig, Conchita war goldehrlich, aber beim Spielen mogelte sie; es war keine Frage, sie hatte sie um drei Realen betrogen. Ferner war Pepa bei der Schneiderin gewesen, bei Mademoiselle Lisette an der Puerta Cerrada. Ihre Freundin Lucía hatte ihr versichert, Mademoiselle Lisette werde ihr einen Ausnahmepreis machen. Aber auch mit Ausnahmepreis wäre der Mantel, den sie benötigte, viel zu teuer gekommen. Sie mußte also weiter bei der Buceta arbeiten lassen.»Übrigens war ich auch bei Lucía«, erzählte sie, »und einmal war Lucía hier.«
    Goya wartete darauf zu erfahren, was Lucía über das Porträt gesagt hatte. Aber Pepa ließ ihn warten, er mußte fragen. Ja, von dem Porträt hatte sie auch gesprochen, mehrmals. »Du malst sie doch in dem gelben Kleid. Das hat sie von Mademoiselle Lisette. Achthundert Realen hat sie ihr dafür abgenommen. Da siehst du ihre Preise.« Goya bezähmte sich. »Und was meint Doña Lucía zu dem Porträt?« fragte er. »Sie wundert sich«, erzählte Pepa, »daß es so gar nicht fertig wird. Sie findet, es sei längst soweit, und versteht nicht, daß du dich sträubst, es ihrem Mann zu zeigen. Ich wundere mich auch, offen gestanden«, schwatzte Pepa weiter. »Freilich ist Don Miguel schwierig und hat an allem zu mäkeln. Aber du quälst dich doch sonst nicht so ab. Und was wird dir Don Miguel schon zahlen? Wahrscheinlich gar nichts, weil er dein Freund ist. Und sicher nicht deine dreitausend Realen.«
    Goya stand auf und ging hin und her. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, er hätte mit seiner Familie gegessen.
    »Sag mir, Francisco«, beharrte Pepa, »warum wirklich plagst du dich so? An meinem Porträt für den Admiral hast du keine drei Tage gearbeitet, und er hat dir viertausend gezahlt. Ist Lucía soviel schwerer als ich? Oder was ist es? Willst du mit ihr schlafen? Oder hast du schon mit ihr geschlafen? Sie ist sehr hübsch, das ist wahr.« Pepa sprach beiläufig, ohne Emotion.
    Goyas massiges Gesicht war finster. Wollte Pepa ihn aufziehen? Wahrscheinlich nicht. Sie war häufig so unheimlich sachlich. Wenn er’s ernstlich wollte, hätte er Doña Lucía sicher haben können bei all ihrer maskenhaften Damenhaftigkeit. Aber – da waren viele Aber. Pepa war manchmal schwer erträglich. Und im Grunde war sie gar nicht einmal sein Geschmack. Sie war füllig, eine Jamona, ein hübsches, anmutiges Schweinchen, mit ihrer glatten Haut.
    Pepa holte ihre Guitarre und sang. Sie sang leise, mit Hingabe. Sie war schön, wenn sie so dasaß und ihre alten, volkstümlichenRomanzen trällerte, sich mit der Guitarre begleitend. Goya wußte, daß sie im Geiste den alten, poetischen Versen ihre eigenen Erlebnisse unterlegte.
    Die Dreiundzwanzigjährige hatte viel erlebt. Sie war in den Kolonien groß geworden, in Amerika, als Tochter eines wohlhabenden Pflanzers. Als sie zehn Jahre alt war, hatte ihr Vater seine Schiffe und sein Vermögen verloren. Er war mit seiner Familie nach Europa zurückgekehrt, aus einem weiten, üppigen Leben war Pepa in ein enges, dürftiges versetzt worden. Ein glückliches Naturell hatte sie davor bewahrt, unter diesem Umschwung ernsthaft zu leiden. Dann war der junge Seeoffizier Felipe Tudó in ihr Leben getreten, er war hübsch und leicht lenkbar, es war eine angenehme Ehe gewesen, aber er war arm und hatte für sie Schulden machen müssen. Wahrscheinlich hätten sie auf die Dauer wenig Freude aneinander gehabt. Nun war er umgekommen auf einer Fahrt seines Geschwaders, in mexikanischen Gewässern, und sicher war er im Paradiese, er war ein guter Mensch gewesen. Als Pepa dann dem Admiral de Mazarredo ihre Bittschrift um Erhöhung der Pension überreichte, hatte sich der dicke, alternde Herr maßlos in sie verliebt. Eine Viudita, eine kleine, leckere Witwe, hatte er sie genannt und ihr die hübsche Wohnung in der Calle Mayor eingerichtet. Pepa hatte es verstanden,

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