Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
daß der Admiral sie nicht seinen Freunden aus dem Hochadel vorführte; es bedeutete viel, daß er sie von dem berühmten Hofmaler porträtieren ließ. Jetzt, im Krieg, kreuzte Don Federico mit seiner Armada auf fernen Meeren, und es war gut gewesen, daß sie ihren Maler getroffen hatte, der sich feurig bereit erklärte, der Einsamen Gesellschaft zu leisten.
Pepa war von ruhiger Gemütsart und erfreute sich dessen, was sie hatte; aber oft erinnerte sie sich des breiten Lebens in den Kolonien, der riesigen Landgüter, der unzähligen Sklaven. Von dem ganzen Überfluß war ihr nichts geblieben als ihre alte, treue Conchita, die goldehrlich war und nur beim Kartenspiel mogelte. Francisco, Francho, war ein wunderbarer Freund, ein richtiger Mann, an dem eine Viudita ihreFreude haben mochte, und ein großer Maler: aber er hatte viel zu tun, seine Kunst nahm ihn in Anspruch, der Hof nahm ihn in Anspruch, seine vielen Freunde und Frauen nahmen ihn in Anspruch, und selbst wenn er bei ihr war, gehörten seine Gedanken nicht immer ihr.
Von alledem träumte Pepa Tudó, wenn sie ihre Romanzen trällerte. Sie träumte wohl, sie sei selber die Heldin einer solchen Romanze, eine schöne, junge Frau zum Beispiel, von Mauren überfallen oder von ihrem Liebhaber an die Mauren verkauft. Es mußte seine Vorteile haben, die vergötterte weiße Geliebte eines tapfern braunen Fürsten zu sein. Sie träumte auch wohl davon, daß ihr hier in Madrid das Glück nochmals begegnen könnte, und sie sah sich als eine jener Damen, die drei- oder viermal im Jahr von ihren Stadtpalästen nach ihren ländlichen Schlössern reisten und wieder zurück an den Hof, immer umgeben von Haushofmeistern, Zofen und Friseuren, angetan mit den schicksten Pariser Kleidern und mit Schmuck, den vor Jahrhunderten die Feldherren der Katholischen Isabella oder Karls des Fünften erbeutet haben mochten.
Die Dueña bat Pepa, ihr beim Zurichten des Tisches zu helfen. Sie aßen. Das Mahl war gut und reichlich, sie genossen es.
Auf sie herunter schaute das Bild des Admirals Federico de Mazarredo. Der Admiral hatte sich von Goya malen lassen für seine Schwester und dann eine Kopie bestellt für Pepa. Agustín Esteve hatte die Kopie gewissenhaft ausgeführt, und nun also schaute der Admiral zu, wie Pepa und der Maler aßen.
Es war keine große Leidenschaft, die Goya zu Pepa getrieben hatte, aber die Selbstverständlichkeit und die Wärme, mit der sie sich ihm gegeben hatte, freute ihn und füllte ihn mit Genugtuung. Sein bäuerlich realistischer Sinn erwog, daß Pepa ihrer Liebe Opfer brachte. Er wußte Bescheid um ihre Vermögensumstände. Nach dem Tod ihres Seeoffiziers hatte sie bei der großen Tirana Schauspielstunden genommen, dabeiwar das wenige draufgegangen, das ihr geblieben. Jetzt, seit Kriegsbeginn, wurden ihr fünfzehnhundert Realen im Monat angewiesen. Es war nicht ganz klar, wieviel davon Pension der Regierung, wieviel persönliches Geschenk des Admirals war. Fünfzehnhundert Realen waren viel und waren wenig. Kleider bei Mademoiselle Lisette konnte man sich davon nicht machen lassen. Goya war nicht geizig, und er brachte seiner schönen, angenehmen Freundin häufig Geschenke, kleine, manchmal auch ansehnliche. Aber immer wieder überkam ihn die Rechenhaftigkeit des aragonesischen Bauern, und oft, wenn er den Preis eines ihr zugedachten Geschenkes erkundet hatte, kaufte er’s lieber nicht.
Der Tisch war abgeräumt, es war sehr warm, Doña Pepa lehnte in ihrem Sofa, schön, bequem, träg begehrlich, sich mit der wohlgeformten Hand lässig fächelnd. Offenbar dachte sie wieder an Doña Lucía und ihr Porträt; denn, mit dem Fächer auf das Bild des Admirals weisend, sagte sie: »Viel Mühe hast du dir mit dem auch nicht gegeben. Sooft ich ihn anschaue, muß ich denken: der rechte Arm ist viel zu kurz.«
Goya war mit einemmal überschwemmt von dem Gefühl des vielfachen Mißgeschicks, das ihn in diesen letzten Tagen heimgesucht hatte: das aufreibende Warten auf die Alba, das Unvermögen vor dem Bilde der Doña Lucía, der Ärger mit der Politik und dem kritischen Agustín. Und nun kam ihm auch noch die Pepa mit albernen Frechheiten. Mußte ein Mann, den die Alba in Gegenwart der Granden Spaniens angeschaut hatte, als ob sie mit ihm im Bette läge, sich derart blödes Geschwätz anhören und von einer solchen Jamona? Er nahm seinen grauen Seidenhut und stülpte ihn ihr über den Kopf. »Jetzt siehst du von dem Bild des Admirals genausoviel wie vorher«,
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