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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Meister sein, doch hütete er sich wohlweislich, zu ihm zu sprechen. Auch Francisco stellte keine Fragen, kehrte aber wieder und wieder zu Agustíns Werktisch zurück und schaute ihm zu.
    Zuweilen kam Don Miguel. Die ersten Male sprach er so gut wie nichts, später, halblaut, unterhielt er sich mit Agustín. Sie wußten nicht, ob Francisco ihrer Unterredung folgen konnte.
    Einmal aber verhehlte er nicht, daß er aufmerkte. Das war, als Miguel im einzelnen erzählte, wie der Maler Jacques-Louis David zum neuen Regime übergegangen sei. Agustín, nachdem der andere geendet, machte höhnische Anmerkungen. Er habe von jeher den Eindruck gehabt, Davids Werke hätten bei aller formalen Vollendung etwas Leeres, Fassadenhaftes; es überrasche ihn nicht, daß David von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit abgefallen und zur herrschenden Macht umgeschwenkt sei, zu den großbürgerlichen Geschäftsleuten. Goya grinste böse. Also auch Jacques-Louis David, der vorbildliche Republikaner, das Idol der Afrancesados, hatte sich den Zeitläuften angepaßt. Und da verlangten die Freunde, er, Francisco, solle Revolutionär werden. »Wenn das Gold rostet, was soll das Eisen tun?« – »Ich finde es begreiflich«, sagte er schließlich, grimmig, »daß er nicht aufs Schafott wollte. Aber klassischer und mehr in seiner Linie wäre es gewesen, wenn er sich hätte umbringen lassen.«
    Ein erstes Mal hellte Goya sich auf, als unerwartet Zapater kam, sein Herzensmartín. Josefa hatte ihm nach Saragossa geschrieben; doch weder sie noch Martín ließen Francisco wissen, daß der Freund nur seinethalb gekommen war.
    Endlich war da einer, dem Francisco ohne Vorbehalt reden konnte von seiner Not und seinem Zorn. Wie die Frau ihn zu der Lüge gezwungen hatte, sein Kind sei todkrank; denn niemand anders als sie, die üble Schelmin Cayetana, hatteihm die Idee eingehext. Und wie sie dann, als sie das Kind umgebracht hatte, zu ihm gekommen war, ihn zu verhöhnen. Und wie sie, als er ihr ihre Schuld klar ins Gesicht gesagt hatte, über ihn hergefallen war mit gemeinen Worten wie eine Hure, die nicht zufrieden war mit ihrem Lohn. Und wie da die Wut über ihn gekommen war und die Taubheit.
    Martín hörte still und aufmerksam zu, rauchend. Er erwiderte nicht; seine schlauen, freundlichen Augen über der mächtigen Nase blickten nachdenklich, teilnehmend. »Ich weiß schon, du hältst mich für verrückt«, tobte Francisco. »Alle halten mich für verrückt, sie gehen um mich herum, leise, wie um einen Tobsüchtigen. Ich bin nicht tobsüchtig«, tobte er. »Das ist eine Beleidigung. Und wenn ich verrückt bin, dann hat sie es mir angehext, sie hat es mir eingegeben. Wie sie damals mein Bild vom Narrenhaus angeschaut hat, hat sie gesagt: ›Man möchte mittun.‹«
    »Ich muß dir was sagen«, begann Francisco nach einer Weile von neuem, und während er bisher eher laut gewesen war, kam er jetzt ganz nahe an Martín heran und sprach leise, geheimnisvoll. »Ich bin noch nicht verrückt«, sagte er. »Aber es kann sein, daß ich es werde. Manchmal, oft spüre ich, daß ich es werde.« Martín Zapater war vorsichtig und antwortete nicht viel; doch seine bloße, ruhevolle Gegenwart wirkte beruhigend.
    Kurz bevor Martín zurück nach Saragossa mußte, kam Botschaft von der alten Marquesa. Doña María Antonia ließ anfragen, ob Goya jetzt Zeit habe, jenes zweite Porträt von ihr zu malen, von dem in Piedrahita die Rede gewesen sei.
    Vor Martín, der ihm zuredete, den Auftrag anzunehmen, tat Goya, als koste ihn das Überwindung. Doch im Grunde war er sogleich fest entschlossen anzunehmen. Vielleicht stak Cayetana hinter dem Auftrag, und wenn nicht, dann brachte vielleicht ein Zufall sie ins Haus der Marquesa, während er dort arbeitete. Er brannte darauf, sie wiederzusehen, in Wut und Lust. Was er dann tun werde, wußte er nicht, aber wiedersehen mußte er sie. Er nahm an.
    Sehr bald erkannte er, daß Doña María Antonia de Villabranca von dem, was sich zwischen ihm und Cayetana begeben hatte, mehr ahnte, als ihm willkommen war. Manchmal, wenn sie ihm mit ihren freundlich hochmütigen Augen ungeniert gerade ins Gesicht schaute, war ihm, als stünde er nackt und bloß. Er bereute, daß er den Auftrag übernommen hatte.
    Gleichwohl zögerte er die Arbeit hin. Nicht nur fürchtete und hoffte er, Cayetana möchte kommen, er erkannte jetzt auch, angesichts der Marquesa, im Leben und Wesen Cayetanas Dämmeriges, Hintergründiges, das wahrzunehmen oder zu

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