Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
willkommene Aufgabe, und so, ohne daß er ihn recht verstanden hätte, malte er, was der andere von ihm wollte. Malte die siegreiche Republik, was an ihr großartig und was an ihr theatralisch war, ihre prunkende, schier wahnwitzige Anmaßung.
Daß Francisco nicht hörte, machte sein Auge schärfer. Da er den Klang der Stimme entbehren mußte, entschädigte er sich an der Farbe. Er malte die Farben der Republik, wie sie niemals vorher gemalt worden waren, einen Rausch in Blau-Weiß-Rot.
Da sitzt er, Ferdinand Guillemardet, der kleine Landarzt, jetzt Botschafter der Ein und Unteilbaren Republik, der den König Louis den Sechzehnten zweimal zum Tod verurteilt und die spanische Monarchie in ein Vasallenverhältnis zu seinem Lande gezwungen hat, da sitzt er in schwärzlichblauer Uniform, in etwas bombastischer Haltung, die Figur beinahe ganz im Profil, den Kopf aber voll dem Beschauer zugekehrt. Ganz vorne, dem Beschauer zunächst, glitzert der Knauf seinesSäbels, leuchtet der blau-weiß-rote Bund seiner Schärpe. Auf den Tisch geworfen hat er den prächtigen Schiffhut mit der blau-weiß-roten Feder und der blau-weiß-roten Kokarde. Die eine Hand umklammert die Stuhllehne, die andere hat er kräftig, kokett und wirkungsvoll auf den Schenkel gestützt. Alles Licht aber spiegelt sich in seinem Gesicht. Die kurzgeschnittenen schwarzen Locken sind in die breite, gutgebaute Stirn hineingekämmt, die Lippen sind geschwungen, die Nase springt entschieden vor. Es ist ein längliches, wohlgeformtes Gesicht, gescheit, von seiner Bedeutung durchdrungen. Die Requisiten, Stuhl, Tisch, die gefranste Tischdecke, leuchten matt, goldengelb, bläulich getönt. Und alle die scharfen Dissonanzen der Farben spielen ineinander in kunstvoll geordneter Wirrnis.
Im Anfang hatte Goya in menschenfeindlicher Laune Gesicht und Haltung des Botschafters noch hochfahrender, noch affektierter gemalt, er hatte den Größenwahn des Mannes und der Republik noch schärfer ins Licht gestellt. Aber behutsam hatten Miguel und Agustín ihm gesprochen von der zielbewußten Energie Guillemardets und von den ungeheuern Erreichnissen der Republik. Und Goya hatte gemildert, was an dem Manne zum Spott reizen mochte, und deutlicher gemacht, was an ihm stark war.
Ferdinand Guillemardet in
Fleisch und Blut stand vor dem sitzen-
Den gemalten Bürger Ferdi-
Nand Guillemardet. Sie schauten
Einer in des andern Auge.
Und ergriffen von der eignen
Und von seines Landes Größe,
Sprach Frankreichs Gesandter: »Ja, das
Ist die Republik.«
Francisco
Hörte nicht genau die Worte.
Doch er sah des Mannes Augen,
Sah die Lippen sich bewegen,
Und im Innern hörte er die
Marseillaise.
22
Jene Epidemie, die so viele Kinder in Madrid hatte sterben machen, war schon beinahe abgeklungen, als der jüngste Sohn Doña María Luisas erkrankte, der Infant Francisco de Paula. Acht Kinder hatte María Luisa geboren; von den sechs, die ihr geblieben, war dieser kleine Prinz ihr der liebste. Er war rotblond, ohne Frage ein Söhnlein Don Manuels. Und dieser ihr liebster Sohn lag nun hilflos in seinem Bett, um Atem kämpfend, mit dem Tode kämpfend.
Der alte Leibarzt Doktor Vicente Piquer verordnete Eiswasser und kalte Umschläge. María Luisa machte ein finsteres Gesicht und zog den meistgerühmten und meistbefeindeten Arzt Madrids zu, Doktor Joaquín Peral. Dieser hörte seinen alten Kollegen aufmerksam und höflich an und verordnete dann Maßnahmen solcher Art, daß der Leibarzt den Mund vor staunender Empörung nicht mehr zubrachte.
Das Kind erholte sich, genas.
Doña María Luisa fragte Doktor Peral, ob er nicht den kleinen Infanten weiter betreuen wolle, ihn, sie selber und ihre Familie.
Das Angebot der Königin war eine große Versuchung. Es bedeutete, daß er Einfluß nehmen konnte, wo immer er wollte, in politischen und in persönlichen Fragen, es bedeutete auch, daß die wunderbaren Kunstsammlungen der Könige Spaniens ihm gehörten. Aber es wird ihm, wenn er annimmt, wenig Zeit mehr bleiben für seine Wissenschaft und für seine Bilder, und er wird gänzlich verzichten müssen auf seine lustvoll bittere Vertrautheit mit Cayetana de Alba. Er bat ehrerbietig um Bedenkzeit.
Der sonst sehr klare, ruhige Herr war verwirrt. Lehnte erab, so schlug er nicht nur einen einmaligen Wink des Glückes aus, sondern machte sich auch die Königin zur Feindin. Aber er wollte seine Duquesita nicht verlieren.
Niemand, sie selber nicht, kannte Cayetana besser als er. Mit schamloser
Weitere Kostenlose Bücher