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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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und der Messalina María Luisa ehrfürchtig die Hand küssen, sondern auch jedem einzelnen der Lausejungen und Lausemädel. Übrigens lief der jüngste, der kleine Francisco de Paula, der Bastard des Truthahns, auf ihn zu und begrüßte ihn fröhlich: »Papa, Papa.«
    Auch bekam Guillemardet sehr bald den billigen Hohn Don Manuels zu schlucken. Er hatte sich in einer Note die Anrede »Exzellenz« verbeten, darauf hinweisend, daß laut Verordnung des Direktoriums Beamte der Republik sich »Bürger« zu nennen hätten. Don Manuel erwiderte: »Ich muß Euer Exzellenz mitteilen, daß die Anrede ›Sie‹ im Spanischen nicht üblich ist. Die übliche Anrede ist für Leute niedrigen Standes ›Euer Gnaden‹, für Höhergestellte ›Euer Exzellenz‹. Personen höchsten Standes werden von Gleichgestellten mit ›du‹ angeredet. Da ich nun Euer Exzellenz nicht mehr ›Euer Exzellenz‹ nennen darf, bitte ich um Mitteilung, ob ich mich im Verkehr mit Euer Exzellenz in Zukunft der Anrede ›du‹ bedienen soll.«
    Ein wenig wettgemacht wurden die Unannehmlichkeiten,denen sich Guillemardet zum Wohle der Republik zu unterziehen hatte, dadurch, daß der König für ihn eine Galatafel veranstaltete.
    María Luisa hatte an dem neuen französischen Botschafter Gefallen gefunden. Seine Züge waren stolz, ausgeprägt, etwas finster, und die bunte, pomphafte Uniform, welche neuerdings das Pariser Direktorium den hohen Beamten der Republik vorschrieb, stand ihm zu Gesicht. Er sah gut aus, erheblich besser jedenfalls als der dürre, ältliche, schäbige Havré. Sie erklärte, es sei wichtig, den Bürger Guillemardet bei Laune zu erhalten, sie wolle ihm eine Galatafel geben. Diese Idee kam dem Príncipe de la Paz nicht gelegen. Er sah voraus die Klagen und Vorwürfe der kleinen Geneviève, die tödlich gekränkt sein wird, wenn er es zuläßt, daß der Hof dem Henker ihres Königs eine so ungewöhnliche Ehrung bewilligt, und ihn selber verdroß es, daß der widerwärtige Plebejer derartig gefeiert werden sollte. Er setzte der Königin auseinander, eine solche Auszeichnung des Gabacho bedeute eine glatte Kapitulation vor den Forderungen der Republik. María Luisa kannte die Gründe ihres Manuel und freute sich seiner Verlegenheit. »Rede dir nicht die Zunge wund, chéri«, sagte sie freundlich. »Mir gefällt der Bürger Guillemardet.« Don Manuel schlug vor, zumindest auch Monsieur de Havré einzuladen. María Luisa, die neuen Schwierigkeiten voraussehend, die Manuel daraus erwachsen mußten, stimmte lächelnd zu.
    Anläßlich der Galatafel entfaltete San Ildefonso den ganzen Glanz, mit dem ein kleines Jahrzehnt vorher Versailles derartige Festmähler gefeiert hatte. Nun aber saß oben an der Tafel, strotzend in Pracht, der königsmörderische Plebejer, und der Repräsentant des vertriebenen Königs saß in abgetragener Uniform weit unten neben seiner dünnen Tochter. Finstere Blicke warf der bunte Bürger Guillemardet auf den armen Royalisten, der sie mit angeborener Würde übersah.
    Nach der Tafel hielten die Majestäten Cercle. Man hatte als sinnige Ehrung für den Bürger Guillemardet ein volkstümliches Gericht serviert, eine Olla podrida; der König liebtedieses Gericht, und es bot ihm willkommenen Konversationsstoff. »Was sagen Sie zu unserm Nationalgericht, mein lieber Marquis?« fragte er jovial Monsieur de Havré. Dieser, dem die überreiche, plebejisch gewürzte Speise wenig gemundet hatte, rang sich mit Mühe einige anerkennende Worte ab. Der König, der den steifen Fadian nie hatte leiden mögen, ließ ihn stehen und wandte sich an den andern Botschafter. »Nun, Exzellenz«, fragte er ihn schallend, »wie finden Sie unser Nationalgericht? Wir haben es Ihnen zu Ehren serviert.« Und er verbreitete sich eingehend über die verschiedenen Arten, eine klassische Olla podrida zu bereiten. Einigkeit bestehe über die neun Gemüse und sieben Gewürze, die zu verwenden seien; ob aber Rind, Hammel, Huhn, Schweinswurst und Speck den Hauptteil bilden sollten oder nur drei Fleischarten und welche, darüber gingen die Meinungen auseinander. »Ich persönlich«, erklärte er, »lasse alle fünf Fleischarten hineintun. Möglichst vielerlei und gut gemischt. Und wenn ich es esse, denke ich mir: Das ist ein Gleichnis, wie der König mit allen Schichten des Volkes zusammenhängt.«
    Dem Botschafter Guillemardet schmeichelte es, daß sich der Tyrann und die Tyrannin seinethalb so anstrengten. Aber ihn empörte die Taktlosigkeit, daß man den

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