Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
royalistischen Verräter zusammen mit ihm eingeladen hatte. Schnell vergaß er die Ehrung, schnell wuchs sein Grimm über die angetane Schmach. Er setzte sich hin, schrieb, sich auf frühere Forderungen beziehend, eine scharfe Note, verlangte in drohenden Wendungen die sofortige Ausweisung der königstreuen französischen Flüchtlinge.
María Luisa machte Don Manuel freundlich darauf aufmerksam, daß die von ihm vorgeschlagene Einladung Havrés Schuld trage an dieser Verschärfung des alten Konflikts. Er wußte darauf nicht viel zu erwidern. Gerade darum hätte er es als schmähliche Niederlage empfunden, der Forderung des Plebejers nachzugeben.
Lieber alles andere.
In seiner Galakutsche fuhr er bei Guillemardet vor, den Januskopfließ er sich vorantragen. Weitläufig setzte er ihm auseinander, es widerstrebe den elementarsten Regeln spanischer Höflichkeit, das einmal gewährte Gastrecht zu verletzen. »Wenn die Regierung des Katholischen Königs«, sagte kalt der Bürger Guillemardet, »royalistische Verräter weiterhin auf ihrem Boden dulden oder gar unterstützen sollte, so müßte darin die Republik eine feindselige Haltung erblicken.« Ein wenig erblaßte Don Manuel, aber er war vorbereitet. Man werde, antwortete er verbindlich, Monsieur de Havré auf diskrete Art zu verstehen geben, daß er den spanischen Hof aus einer großen Verlegenheit befreie, wenn er, sagen wir binnen eines Jahres, seinen Herrn aufsuche, der, soviel man wisse, in Deutschland weile. »Die Republik«, sagte eisig und noch drohender Guillemardet, »könnte einen solchen neuerlichen Aufschub –« – »Lassen Sie mich, bitte, ausreden, Exzellenz«, fiel ihm der Príncipe de la Paz ins Wort. »Die Regierung Seiner Katholischen Majestät, um den Ruf ihrer Gastlichkeit nicht gefährden zu müssen, würde der Republik auf anderm Gebiete weit entgegenkommen.« Er stand auf, seine Orden klirrten, feierlich verkündete er: »Ich bin beauftragt, Euer Exzellenz im Namen meines königlichen Herrn folgende Erklärung abzugeben. Falls Euer Exzellenz zur Kenntnis nehmen wollen, daß Monsieur de Havré das Land nicht vor Ablauf eines Jahres verlassen wird, dann ist der Katholische König bereit, binnen zwei Wochen den Allianzvertrag abzuschließen in der Form, in welcher die Republik ihn in ihrer letzten Note vorgeschlagen hat.«
So kam man überein, das lange vorbereitete Schutz- und Trutzbündnis zwischen dem Katholischen König und der Ein und Unteilbaren Französischen Republik abzuschließen, und die Krone Spaniens nahm in Kauf den notwendig daraus entstehenden Konflikt mit Großbritannien.
Kriegsbereitschaft wurde ange-
Ordnet für die Flotte und für
Alle Häfen. Feierlich dann
In dem Schloß San Ildefonso
Wurde der Vertrag gezeichnet
Und besiegelt, der den König
Und die Republik zu Bundes-
Freunden machte. Lord Saint Helens
Aber, der Gesandte Seiner
Brit’schen Majestät, verlangte
Seine Pässe.
21
Mehrere Tage war Goya völlig taub geblieben, eingesperrt in seine Raserei. Er war maßlos, wies Annäherungsversuche wütend ab, bestrebte sich, vor andern seine Narrheit zu übertreiben. Alle hielten es jetzt wie Agustín und traten leise auf, wenn er in Sicht war; sie wußten, er ließ sich nicht helfen.
Die Alba kam. Die Dienerschaft hatte strengste Weisung, jeden Besucher abzufangen, niemand zu Goya vordringen zu lassen. Josefa empfing die Herzogin. Sprach zu ihr mit Höflichkeit und Abwehr. Es war ihr klar, daß nicht der Tod des Kindes, sondern diese Frau schuld war an Franchos Zusammenbruch. Don Francisco, erklärte sie ihr, werde lange, vielleicht auf Monate, nicht fähig sein zur Arbeit und zur Gesellschaft.
Tagelang, mehr als eine Woche lang, ließ Goya niemand an sich herankommen als Josefa und Agustín; auch vor diesen blieb er voll dumpfen Grolles.
Der unermüdlich fleißige Agustín, der um diese Zeit wenig zu tun hatte, füllte seinen Tag, indem er sich in der Technik des Radierens vervollkommnete. Der Kupferstecher Jean-Baptiste Leprince hatte ein Verfahren erfunden, lavierte Federzeichnungen durch Kupferdruck zu vervielfältigen. Er hatte es zeitlebens geheimgehalten, aber nach seinem Tode war es in der Encyclopédie Méthodique bekanntgegeben worden, und nun versuchte sich der strebsame AgustínEsteve darin. Goya schaute zu, abwesenden Geistes zumeist. Er hatte selber in frühen Jahren Radierungen nach dem Velázquez angefertigt, ohne viel Glück. Agustín vermutete, die neue Technik müsse reizvoll für den
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