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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Schiffen immer weiter nach Westen gefahren.
    Goya sah lächelnd, wie sich das trockene Gesicht des Mannes verjüngte, als er mit Schwung und nicht ohne Anmut von den antiquarischen Geschichten seiner Stadt erzählte.
    »Aber ich halte Sie auf mit meinen Erzählungen, Don Francisco«, unterbrach sich Señor Martínez, »und ich habe Sie doch in Geschäften hierhergebeten. Ich möchte Sie bitten, Exzellenz«, sagte er, nun mit einem Male sehr trocken, »einige Gemälde für die Santa Cueva auszuführen. Ich möchte nämlich mit Ihnen ins Geschäft kommen, Herr Erster Maler. Offen gestanden, ich hätte Sie lieber gebeten, ein Porträt von mir zu malen, aber das hätten Sie vielleicht abgelehnt. Einen Auftrag indes für die Santa Cueva kann man schwerlich zurückweisen. Hab ich nicht recht?« Und er kicherte.
    »Offenheit gegen Offenheit«, antwortete Francisco. »Wie viele Bilder sollen es sein? Wie groß? Und was zahlen Sie?« – »Der Canónigo de Mendoza, dem die Arbeiten für die Santa Cueva unterstehen«, sagte ebenso sachlich Señor Martínez, »wünscht drei Bilder: ein Abendmahl, eine Speisung der Fünftausend und ein Gleichnis von der Ehe. Es handelt sich um mittelgroße Bilder; wenn Sie die Gewogenheit haben, sich mit dem Canónigo in die Santa Cueva zu begeben, werden Sie sich über die Maße mühelos verständigen. Zu Ihrer dritten Frage gestatten Sie mir, Ihnen eine vertrauliche Eröffnung zu machen. Ich beabsichtige, mit einigen meiner Schiffe die englische Blockade zu durchbrechen und diese Schiffe selber nach Amerika und zurück zu führen. Aus bestimmten Gründen kann meine kleine Flotte nicht vor, aber auch nicht nach der dritten Woche von heute auslaufen. Ich möchte nun die Bilder selber dem Kapitel von Santa Cueva übergeben und muß also um rasche Arbeit bitten, Don Francisco. Andernteils bin ich, falls die Gemälde binnen drei Wochen abgeliefert sind, bereit, Ihnen statt der dreitausend Realen, die Siezu fordern pflegen, pro Bild sechstausend zu zahlen. Sie sehen, Exzellenz, auch von der Hand des Bürgers ißt sich’s nicht schlecht«, schloß er und kicherte.
    Goya selber spürte Mißmut
    Häufig vor der Überhebung
    Seiner Granden. Dieses weiße
    Cádiz, diese reiche, üpp’ge
    Stadt, die reichste, üppigste der
    Erde, reicher als das aufge-
    Blähte London, war von Bürgern
    Hingestellt, von Schiffern, Händlern.
    Aber sie gefiel ihm nicht. Er
    Hatte Sinn für Bürgerstolz, doch
    Dieser Mann Martínez mit all
    Seinem Geld und seiner Kunstbe-
    Geisterung gefiel ihm nicht. Auch
    Was er malen sollte, Speisung,
    Gleichnis, Abendmahl, gefiel ihm
    Nicht. Allein ein Maler kann sich,
    Was er malen soll und wen, nicht
    Immer wählen, und sechstausend
    War viel Geld. Er sah die dürre,
    Ausgestreckte Hand des Kaufherrn,
    Und er legte seine eigne,
    Fleisch’ge, kräftige hinein und
    Sagte: »Topp.«

33
    Cayetana bat Francisco, mit ihr auf den Mirador zu steigen, den Aussichtsturm. Diesmal aber ging sie nicht vorbei an der verschlossenen Tür auf halber Höhe der Treppe, sie sperrte auf und hieß Goya eintreten.
    Das Kabinett war klein, dumpfige Luft schlug ihnen entgegen,das Innere war dämmerig. Sie öffnete die Fensterläden, jäh und voll strömte das Licht ein. Der Raum war so gut wie leer, ein einziges Bild hing an der Wand, ein mittelgroßes Breitbild in prächtigem Rahmen, davor standen zwei bequeme, abgebrauchte Sessel. »Setzen Sie sich, Don Francisco«, forderte Cayetana ihn auf mit einem ganz kleinen und, wie ihm schien, verschmitzten Lächeln.
    Er beschaute das Bild. Es stellte eine mythologische Szene dar mit muskelstarken Männern und fleischigen Frauen, es schien entstanden in der Werkstatt des Peter Paul Rubens, und es waren wohl nicht die begabtesten Schüler, die daran gearbeitet hatten. »Sie besitzen bessere Bilder«, meinte nach einer Weile Francisco.
    Cayetana drückte auf einen Knopf an der Wand. Die Mythologie bewegte sich seitwärts, wohl mittels einer Feder, und gab den Blick frei auf ein anderes Gemälde.
    Francisco richtete sich hoch, stand auf, trat hinter seinen Sessel. Sein Gesicht spannte sich, wurde beinahe finster vor Aufmerksamkeit, die Unterlippe schob sich vor. Alles an ihm war Beobachtung, Schauen.
    Auf dem Bild war zu sehen eine liegende Frau, die, auf den rechten Arm gestützt, sich im Spiegel betrachtete, dem Beschauer den Rücken zukehrend. Die Frau war nackt. In dem Spiegel, den ihr ein kleiner, kniender, geflügelter Knabe vorhielt, wurde vag ihr Antlitz

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