Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
die Terrassen,
Abwärts, wieder aufwärts, in dem
Mild-unsichern Licht. Er aber
Stand am Fenster, lange, und er
Schaute zu, wie durch die helle
Nacht sie wandelte, und ihre
Katzen, hochgestellt die Schwänze,
Feierlich und heiter, gingen
Mit ihr.
32
Die Herzogin führte Goya herum in ihrem Stadtpalais in Cádiz, der Casa de Haro. Graf Olivares und Gaspar de Haro, die Erbauer des Hauses, hatten nicht gegeizt. Während die meisten Häuser der Stadt, die sich auf dem Kopf der überausengen Landzunge nicht ausdehnen konnte, schmal und hoch waren, hatten sie weite Säle errichtet um einen großen, stillen Patio, einen wunderbar gepflasterten Hof, der selber wie ein weiter Saal aussah. Um diesen Hof liefen, an der Innenseite der drei Stockwerke, Galerien. Vom flachen Dach strebte ein Aussichtsturm hinauf in den Himmel.
In dem weitläufigen Haus war dumpfige Kühle. Wie in Sanlúcar gab es auch hier eine Sonnenuhr mit gemaltem Schattenzeiger, welcher die Zeit stillstehen ließ. Viel Marmor war da, Gemälde, Skulpturen, Kronleuchter; Señores antepasados, die Herren Urahnen, hatten nicht gespart. Doch war das Haus jetzt etwas vernachlässigt, die Fresken an den Wänden verblaßten und blätterten ab, von den vielen Stufen waren manche zerstoßen.
Sie gingen, Goya und die Herzogin, über ausgetretene Marmortreppen und -treppchen. Pedro, der alte Verwalter, selber etwas verfallen, ging ihnen voran, mit feierlichen, steifen Beinen, leise klappernd mit seinem Schlüsselbund. Zuletzt, wiederum über gelblich abgetretene Marmorstufen, erstiegen sie den Mirador, den Aussichtsturm. Die Wendeltreppe führte vorbei an einer verschlossenen Tür, dann standen sie oben auf dem flachen Dach des Turmes und blickten über die niedrige Brüstung hinunter auf die Stadt, die, einer Insel gleich, strahlend weiß inmitten der sehr blauen See lag, mit dem Festland nur durch die überaus schmale Landzunge verbunden.
Die Casa de Haro war hoch gelegen, beinahe auf dem höchsten Punkte der Stadt. Francisco und Cayetana schauten nach Nordost und sahen den Hafen und die vielen Forts, welche ihn schützten, sie sahen das starke spanische Kriegsgeschwader, und sie sahen die Ebenen von Andalusien, begrenzt von den Gebirgen von Granada. Sie schauten nach Westen und sahen die weite See und am Horizont die englische Flotte, die den Hafen blockierte. Sie schauten nach Süden und sahen die afrikanische Küste. Zu ihren Füßen aber lagen die Häuser von Cádiz mit ihren flachen Dächern, diegartenartig mit Pflanzen aller Art geschmückt waren. »›Die hängenden Gärten von Babylon‹, pflegten Seine Exzellenz Hochdero in Gott ruhender Herr Großvater zu sagen«, erläuterte der alte Verwalter.
Cayetana und Francisco waren so gut wie allein in dem weiten Haus. Sie waren vorausgefahren, nur mit der Dueña; die andern, Doktor Peral, der Mayordomo, der Sekretär, der ganze Haushalt sollten erst in einigen Tagen nachkommen. Sie nahmen die Mahlzeiten allein, bedient von Pedro und seiner Frau, sie waren beinahe immer so gut wie allein, sie wußten, daß das nicht lange dauern werde, und genossen ihre Einsamkeit.
Für den zweiten Tag hatte sich Goya bei Señor Martínez angesagt, seinem Auftraggeber. Er hatte Zeit, er schlenderte durch die Stadt, die, auf beschränktem Raum gebaut, sehr menschenvoll war. Er ging durch die engen Straßen zwischen den hohen, weißen Häusern mit den vorspringenden, flachen Dächern, ging über das Kopfsteinpflaster der Calle Ancha. Ging über die Alameda, die Promenade auf dem Wall mit ihren Ulmen und Pappeln. Ging zurück zur Puerta de la Mar und freute sich des Lärms und des Getriebes. Die mohammedanischen Geflügelhändler, die ihre Hühner und Enten von dem sehr nahen Afrika herübergebracht hatten, die Fischer, deren Fische und Muscheln starkriechend und starkfarbig vor ihnen ausgebreitet lagen, die Obsthändler vor ihren Bergen bunter Früchte, die Wasserverkäufer mit ihren Schubkarren, die Eishändler mit ihren Tonnen, die Marokkaner, die in ihren Pluderhosen um ihre Datteln herumsaßen, schwarzbärtig, ihre langen Pfeifen rauchend, die Garköche und Weinschenker in ihren kleinen Buden, die Krämer, die mit Heiligenbildern handelten, Amuletten und Matrosenmützen, die Grillenverkäufer, die ihre schwirrenden Tierlein in kleinen Käfigen von Messingdraht oder in bemalten Häuschen feilhielten, damit die Cortejos ihren Damen Spielzeug bringen könnten: das alles strotzte farbig, lärmte und stank unter dem
Weitere Kostenlose Bücher