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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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genannt, nach dem Helden des großen frühen Aufstandes, und ihn seine eigenen Auszeichnungen und Orden tragen lassen. Niemand war würdig, mit dem Herzog von Alba zu verkehren, nur der Narr. Eben weil der Großvater sich viel auf sein Freidenkertum zugute getan, war er oft und gerne in Cádiz gewesen; die Stadt, die durch ihren Handel viele Beziehungen zum Ausland hatte und immer voll war von fremden Kaufleuten, war die aufgeklärteste in Spanien. »Mein Großvater«, erzählte lächelnd Cayetana, »erzog mich nach den Prinzipien Rousseaus. Ich sollte lernen auf dreifachem Wege: durch die Natur, durch eigene Anschauung, durch glücklichen Zufall.«
    Goya aß und trank und hörte zu. Die wirklichen Granden waren anders, als er sie sich vorgestellt hatte, auf eine noch viel kompliziertere Art hochmütig. Der eine ließ die Uhren und die Zeit stillstehen, solang er nicht im Glück war. Der andere hielt sich einen bittern Hofnarren, weil kein anderer es wert war, mit ihm zu sprechen. Und da war diese Cayetana. Siebzehn leere Schlösser warteten auf sie, und alle die Jahre hindurch ein Hofnarr, den sie alle die Jahre hindurch vergessen hatte.
    Er aß mit ihr, er schlief mit ihr, sie war ihm näher als je ein Mensch, ferner als je ein Mensch.
    Am nächsten Tag traf Cayetanas Haushalt in Cádiz ein, und von da an war Francisco nur noch selten mit ihr allein.Jetzt während des Krieges war Cádiz mehr und mehr zur Hauptstadt des Landes geworden, Herren vom Hof, hohe Beamte der Krone, Mitglieder des Rates von Indien kamen her, und alle wollten sie der Herzogin von Alba ihre Aufwartung machen.
    Auch Francisco traf viele Freunde und Bekannte aus Madrid. Er war erfreut, doch nicht überrascht, als eines Tages, in Vertretung Don Manuels, auch Señor Miguel Bermúdez auftauchte.
    Miguel sprach natürlich von Politik. Don Manuel sei wieder einmal umgeschwenkt, und da es für den Augenblick das bequemste sei, paktiere er mit dem reaktionären Hochadel und der Kirche und behindere jene liberalen Maßnahmen, die er selber eingeführt habe. In seiner Außenpolitik sei er unsicher. Der neue französische Botschafter Truguet sei ein ruhiger, kluger Herr. Ihm sei Don Manuel noch viel weniger gewachsen als dem verflossenen Guillemardet, bald sei er zu aggressiv, bald zu servil.
    »Was ist eigentlich aus Guillemardet geworden?« fragte Goya. Der Botschafter, gab Miguel Bescheid, habe, kaum nach Paris zurückgekehrt, ins Irrenhaus gebracht werden müssen. Goya war unheimlich angerührt: hatte er nicht dem Manne sein Schicksal ins Gesicht gemalt? Was Guillemardet um den Verstand gebracht habe, berichtete Miguel weiter, sei vermutlich sein Unvermögen gewesen, den schnellen Umschwung der öffentlichen Dinge in Frankreich zu begreifen und mitzumachen. Den Wechsel vom revolutionären Radikalismus zur gemäßigt bourgeoisen Demokratie habe er wohl noch zur Not vor sich selber rechtfertigen können; aber daß er nun die viel schärfere Schwenkung zur entschiedenen Plutokratie habe vornehmen sollen, sei offenbar über seine Kraft gegangen.
    Dann erschien, in seiner Eigenschaft als einer der Anwälte der Bank von Spanien, auch der junge Quintana in Cádiz. Zusammen mit Miguel besuchte er Francisco in der Casa de Haro, die Herzogin und Doktor Peral waren zugegen.
    Quintana leuchtete auf bei Franciscos Anblick und begann sogleich, von der »Familie des Carlos« zu schwärmen. »Sie, Don Francisco«, rief er, »sind der Retter aus Spaniens geistiger Not.« – »Wieso das?« erkundigte sich neugierig die Herzogin. Sie saß da, strahlend schön in ihrem schwarzen Kleide, sie war nicht gekränkt, daß sich Quintana sichtlich mehr für Goya interessierte als für sie, sie betrachtete ungeniert den jungen Herrn, der so viel ehrliche Begeisterung aufbrachte; sie selber förderte die Künste, weil es sich so für eine Grandin schickte, doch ging ihre Anteilnahme nicht tief. »Unser Spanien«, erläuterte Quintana, »schleppt seine ganze Geschichte und Tradition wie eine Kette mit sich. Wenn endlich einmal einer kommt und aufzeigt, was aus den ursprünglich großen Institutionen heute geworden ist, dann ist das eine Tat. Sehen Sie, Doña Cayetana«, erklärte er ihr eifrig, »ein König von heute, der Katholische König zum Beispiel, ist wohl noch ausgestattet mit den äußern Zeichen der Macht, aber seine Funktion ist ausgehöhlt, die Krone ist eine obsolete Kopfbedeckung geworden, zum Regieren ist heute eine Konstitution notwendiger als ein Zepter. Und das

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