Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
stolz auf den Heiligen ihrer Familie, die Osunas. Wir Albas haben keinen Heiligen.«
Goya war fertig mit seiner Zeichnung; säuberlich setzte er Nummer und Namen hin: »24. Susana«. Cayetana schaute von dem Blatt, lieblich, höhnisch, undurchsichtig. Eufemia, voll äußerster Mißbilligung, wandte sich an ihre Herrin. »Es wäre gut, mein Lämmchen«, sagte sie flehentlich und doch energisch, »wenn einige dieser Blätter nicht existierten. Bitten Sie doch den Herrn Ersten Maler, diese ›Susana‹ zu zerreißen und auch andere. Die Bilder ziehen die Dämonen herbei, glauben Sie mir. Darf ich?« Und schon griff sie nach der »Susana«. »Willst du das wohl lassen!« rief Cayetana und drang halb lachend, halb im Ernst auf sie ein. Die Dueña hielt ihr das goldene Kreuz entgegen, das ihr vom Halse hing, um den bösen Geist zu beschwören, der offenbar schon in ihr Lämmchen gefahren war.
Mehrmals, des Vormittags oder des Nachmittags, wenn Cayetana schlief, ritt Francisco auf einem Maultier nach der Stadt Sanlúcar. Dort, in der Venta de las Cuatro Naciones, trank er von dem Jerez, der hier in der Nähe wuchs, und schwatzte mit den andern Gästen in der Schenke, Männern, die große, weiße, runde Hüte und auch im Sommer ihre violetten Mäntel trugen. Die uralte Stadt Sanlúcar – viele führten ihren Namen auf Lucifer zurück – war berühmt und berüchtigt als der Stammsitz von Teufelskerlen, die sich aus jeder Not herauszulügen und herauszustehlen wußten. Die Pícaros der alten Romane waren hier zu Hause, und ein Majo, derSanlúcar seine Heimat nennen konnte, war stolz. Der Ort war reich geworden vom Schmuggel, und jetzt, da eine starke englische Blockadeflotte vor Cádiz lag, blühte Leben und Geschäft. Immer auch traf man in der Schenke de las Cuatro Naciones Maultiertreiber in ihrer farbig fröhlichen Berufstracht, und sie wußten von überallher aus dem Lande Geschichten zu erzählen, wie man sie sonst nicht zu hören bekam. Mit diesen Muleteros also und mit andern Gästen führte Goya lässige Gespräche, die voll waren von Andeutungen, er verstand ihre Sprache und ihre Art und sie die seine.
Manchmal auch ritt er nach einem der kleinen Nachbarorte, nach Bonanza oder Chipiona. Der Weg führte durch dünne Wälder von Steineichen und über gelblich helle Sanddünen, überall glänzten weiß die Salinen. Einmal, als er so über den Sand ritt, sah er »El Yantar« wieder, das Mittagsgespenst. Träge kroch es einher, halb Schildkröte, halb Mensch, den Beschauer eher einschläfernd als erschreckend, gemäß seinem andern Namen »La Siesta«. Das Gespenst kroch seinen Weg langsam und unausweichlich, aber es war nicht die Straße und Richtung Franciscos. Er hielt auf seinem Maultier und schaute ihm lange zu. Fernher vom Strand klang der Lärm spielender Kinder, die ihm verborgen waren durch die Dünen.
Als er zurückkam, fand er einen Brief aus Cádiz. Señor Sebastián Martínez wollte der Santa Cueva drei Bilder stiften und fragte an, ob der Herr Erste Maler geneigt sei, diesen Auftrag zu übernehmen. Señor Martínez war überall bekannt als Besitzer der größten Handelsflotte Spaniens, er beherrschte einen ansehnlichen Teil des Handels mit Amerika, und er galt als freigebiger Förderer der Kunst. Der Vorschlag kam Goya gelegen. Er konnte von Señor Martínez einen hohen Preis verlangen, und die Arbeit für die Santa Cueva gab ihm einen erwünschten Vorwand, seinen ausgedehnten »Erholungsurlaub« vor dem Hof zu entschuldigen. Im stillen auch erwog er, es könne derlei religiöses Werk dazu angetan sein, das vielleicht Sündhafte seiner Leidenschaft und seines Glückes zu sühnen. Er beschloß, die Angelegenheit mitSeñor Martínez persönlich zu besprechen; man konnte Cádiz in wenigen Stunden erreichen.
Cayetana, als er ihr von seiner Absicht erzählte, erwiderte, das treffe sich gut, sie habe ihm ohnedies vorschlagen wollen, mit ihr auf ein paar Tage oder Wochen nach Cádiz zu gehen. Es sei jetzt im Krieg viel Leben dort, auch das Theater sei gut. Man beschloß, Ende der Woche hinzufahren.
Goya konnte nicht schlafen in dieser Nacht. Er trat ans Fenster. Der Mond war beinahe voll; Goya schaute hinaus über die Gärten auf das fernglänzende Meer.
Cayetana war im Garten,
Sich ergehend in der Kühle,
Und sie war allein. Er fragte
Sich, ob er zu ihr hinunter
Gehen solle. Sie sah nicht zu
Ihm herauf, und er ging nicht hin-
Unter. Einige der Katzen
Waren um sie. Seltsam lautlos
Ging sie über
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