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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
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breitrandigen Hut. Seine Jacke aus schwarzem Schafsleder war reich bestickt und versehen mit großen, durchbrochenen Silberknöpfen. Um den Leib trug er die breite, seidene Schärpe, die Faja, und in ihr verwahrt das Messer. Die blausamtenen Kniehosen wiesen bunte Längsstreifen auf und silberne Knöpfe, die gelben Stiefel waren aus ungegerbtem Kalbsleder. So stand er prächtigvor Francisco. Als ihm dieser eröffnete, er wolle mit ihm nach Saragossa, Madrid vermeidend, hielt er das für die verrückte Laune eines großen Herrn. Er pfiff durch die Zähne, gestikulierte ausdrucksvoll und meinte: »Hombre! Das ist eine weite Reise.« Und wiewohl er wußte, daß Goya mit den Sitten des Landes vertraut war, verlangte er den ungeheuren Preis von achthundert Realen, das war fünfmal der Jahreslohn eines Schafhirten.
    Goya schaute sich den Arriero Gil gut an, mit dem er nun vier Wochen Leben zu teilen gedachte. Schon war er nicht mehr der Erste Maler des Königs, sondern einer von unten, und so standen sie einander gegenüber, ein Bauernsohn dem andern, ein mit vielen Wassern Gewaschener dem andern. Und da Goya so lange schwieg und ihn nur anschaute, sagte schließlich Gil: »Für eine so verdammt weite Reise brauchen wir zwei Maultiere. Und Ihnen muß ich natürlich den Garañón geben, den Valeroso, den wunderbarsten Maulesel in Spanien. Er hat unter seinen Vorfahren den Esel Constante, der damals den Ketzer Tomás Trebino abwarf, als er ihn zum Holzstoß bringen sollte, so ein gottesfürchtiger Esel war das.«
    Nun aber tat Goya den Mund auf, und er sagte gemütlich: »Ich habe dich bestimmt mißverstanden. Ich höre nämlich nicht gut, das wirst du ja schon in der Venta gemerkt haben, und jetzt bin ich gewissermaßen stocktaub. Und hast du wirklich gesagt achthundert Realen?« Gil, noch stärker gestikulierend, erwiderte: »Ich wünsche Eurer Exzellenz alles Gute. Aber daß Sie ein schwaches Gehör haben, macht die Reise weder für mich noch für meine Tiere einfacher. Achthundert Realen.«
    Da begann Goya ganz fürchterlich zu fluchen. Er gab dem Maultiertreiber »carajos«, Flüche und Verwünschungen, Knoblauch und Zwiebel, Ajos y Cebollas, in einer Fülle, wie sie diesem noch niemals an den Kopf geworfen worden waren, und er schrie sehr laut. Der Maultiertreiber fluchte zurück. Goya hörte ihn nicht, aber er sah, wie sich Gil abarbeitete,und plötzlich mitten im Fluchen brach er ab und lachte schallend. »Gib dir keine Mühe«, sagte er. »Ich muß immer gewinnen; denn du hörst mich, aber ich höre dich nicht.« Das sah Gil ein, er sah auch ein, daß man diesen Herrn nicht übers Ohr hauen konnte. »Sie sind ein großer Mann, Don Francisco«, sagte er. »Sie gehören zu uns. Also sagen wir: siebenhundertachtzig Realen.« Sie einigten sich auf sechshundertfünfzig. Auch vereinbarten sie genau Reiseweg, Unterkunftskosten, Zehrung, Futter für die Tiere, und Gil bekam immer mehr Achtung vor seinem Reisenden. »Por vida del demonio – So wahr der Teufel lebt«, sagte er, »Euer Exzellenz verstehen mehr als unsereins«, und sie tauschten Wort und Handschlag.
    Goya staffierte sich für die Reise so schlicht wie möglich aus, er besorgte sich eine Jacke aus schwarzem Lammfell, eine einfache, breite Schärpe und einen spitzen Hut mit schwarzem Samtrand. Nicht vergaß er den Weinschlauch, die Bota. In die Satteltaschen aber, in die Alforjas, stopfte er nur das Notwendigste.
    Sie brachen auf. Goya pflegte sich nicht, er rasierte sich nicht, bald wuchs ihm ein wirrer Bart ums Gesicht. Niemand hätte ihn für einen großen Herrn gehalten.
    Der Weg war lang, und sie reisten in kurzen Tagesstrecken. Zunächst nahmen sie die Straße nach Córdoba. Auf dieser Straße war er gekommen damals, zu Cayetana, mit Extrapost, mit sechs Pferden, eiligst, voll höchster Erwartung, ein Glückspilz. Er kostete es ganz aus, als er jetzt die gleiche Straße zurückzog, ärmlich, mühevoll, langsam, oft mißverstanden und oft verlacht, durch die verstummte Welt, ein alternder Bauer.
    In der Venta von La Carlota erfuhren sie, daß in drei Tagen in Córdoba der berühmte Räuber José de Roxas, genannt El Puñal, Der Dolch, hingerichtet werden sollte. Die Hinrichtung eines Räubers und gar die eines so berühmten wie des Puñal war ein großes Volksschauspiel, lockender als die schönste Corrida, und wenn einen Gottes Fügung zur Zeit einersolchen Exekution in die Nähe führte, so wäre es Wahnsinn, ja, Verbrechen gewesen, sich das Schauspiel

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