Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Sie sprach vor sich hin, es war nicht klar, wem ihr Vorwurf galt, Goya oder Agustín. Goya malte weiter; er hatte offenbar nicht auf ihre Lippen geachtet. Agustín, stumm und dumm vor Verwunderung, erbot sich schließlich: »Wenn Sie wünschen, schreib ich ihm Ihren Satz auf.« – »Wovon ist denn die Rede?« fragte von seiner Staffelei her Goya. »Von dem Abate«, sagte sehr deutlich Agustín. Goya hörte zu malen auf und schaute Lucía aufmerksam an.
»Er wird demnächst zurückkehren«, berichtete gleichmütig Lucía.
Agustín setzte sich nieder. Goya legte Pinsel und Palette weg und ging auf und ab. »Wie haben Sie das fertiggebracht, Doña Lucía?« fragte er. Lucía schaute ihn an mit ihren schleierigen, leicht spöttischen Augen. »Ich habe ihm geschrieben, ersolle zurückkehren«, sagte sie. »Aber die Inquisition!« rief Agustín. »Das bedeutet doch den Scheiterhaufen für den Mann!« Und: »Das läßt sich doch das Heilige Offizium nie und nimmer gefallen!« rief auch Goya. »Wir haben«, erklärte mit ihrer etwas schleppenden Stimme Lucía, »Pepa und ich, mit Don Manuel gesprochen, und er hat mit dem Großinquisitor gesprochen. Einige Unannehmlichkeiten wird der Abate natürlich auf sich nehmen müssen. Er ist bereit, sie auf sich zu nehmen. Denn dann ist er wenigstens in Spanien.«
Doña Lucía sprach beiläufig, sie ließ keinen Stolz merken. Doch Francisco und Agustín waren angefrostet. Beinahe mit Haß bedachten sie, welches Triumphgefühl die Frau spüren mußte. Da hatte sie von dem Vorgesetzten ihres Mannes die Rückkehr ihres Geliebten erwirkt. Und dieser kehrte zurück, bereit, Opfer und Gefahr auf sich zu nehmen, nur um eines Landes Luft mit ihr zu atmen. Und einen billigen Preis hat sich Großinquisitor Reynoso sicher nicht ausbedungen dafür, daß er’s unterließ, den Erzketzer zu verbrennen. Was Don Manuel mit Reynoso »gesprochen« hat, wird vermutlich noch in manches Mannes Schicksal eingreifen. Und da saß die Frau und erzählte von alledem ruhevoll, damenhaft, beiläufig, als ginge es um eine Tertulia oder um eine neue Frisur. Plötzlich wieder mußte Francisco an die Mandelverkäuferin im Prado denken, die ihm damals, eine richtige Maja, »ajos y cebollas – Knoblauch und Zwiebeln« die Menge gegeben hatte, an jene vulgär spitzbübische Lucía mit ihrer Lust an frechen Antworten und derben Späßen. Jetzt trieb sie ihren Spaß mit dem Ersten Minister, dem Großinquisitor, dem ganzen Land.
Übrigens, so schien es, hatte
Sie zu früh sich ihres Siegs ge-
Brüstet. Wochen gingen hin, ein
Monat, noch ein Monat, und noch
Immer wurde nichts gehört von
Einer Rückkehr des Abate.
14
Goya saß in seinem Atelier an der Calle de San Bernardino, in der Ermita, und arbeitete. Er machte eine Pause, schob Platte und Stichel zurück, beschaute mit einem kleinen, abwesenden Lächeln seine beschmutzten Hände. Erhob sich, sie zu waschen.
Ein Mann stand im Zimmer, vielleicht schon seit langem, ein Nuncio, einer der grünen Boten der Inquisition. Der Mann verneigte sich höflich, sagte etwas, Goya verstand es nicht, der Mann übergab einen Schein und wies auf ein gesiegeltes Schreiben, Goya wußte, er hatte zu unterzeichnen, er tat es, mechanisch, doch sehr sorgfältig, der Mann nahm den Schein, übergab sein Schreiben, verneigte sich, sagte etwas, Goya erwiderte: »Gelobt sei die Heiligste Jungfrau«, der Mann ging.
Goya saß in seiner Einsamkeit, die noch tiefer geworden schien, das Schreiben in der Hand, und starrte gedankenlos auf das Siegel, Kreuz, Schwert und Rute. Er wußte, die Inquisition hatte gutes Material gegen ihn. Cayetana, die Hexe, die Verderberin, hatte andere das Bild sehen lassen, das er gemalt hatte, das Bild ihrer Nacktheit; wenn Don Manuel darum wußte, dann wußte auch die Inquisition darum. Viele Äußerungen von ihm konnten als afterphilosophisch ausgelegt werden, wenn einer bösen Willens war; auch in seinen Bildern konnte wohl das oder jenes gefunden werden, das einer ketzerisch nennen mochte, wenn er bösen Willens war, und es waren ihm Aussprüche des Großinquisitors hinterbracht worden, die erwiesen, daß dieser unguten Auges auf ihn und seine Malerei schaute. Allein er hatte geglaubt, in der Gunst des Königs und in seinem Ruhm sei er sicher. Da saß er jetzt, in der Hand die Vorladung vor das Heilige Tribunal.
Er atmete mühsam, wahnsinnige Angst klemmte ihm die Brust. Gerade jetzt, auftauchend aus den tiefen Strudeln der Vernichtung, kennend ihre
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