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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
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oder das andalusische oder das weiße Musselinkleid aus Madrid?« – »Das weiße natürlich«, befahl die Alba. »Und die rote Schärpe.«
    Zu ihm sprach sie jetzt nicht mehr, sich anziehen zu lassen, erforderte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Damen Madrids waren gewohnt, Männer um sich zu haben, wenn sie Toilette machten, und zeigten freigebig Arme, Schultern, Rücken, Brüste; nur hielten sie nach alter Sitte darauf, daß ihre Beine unsichtbar blieben. Doña Cayetana verbarg auch die Beine nicht. »Sagt des Mädchens Fuß nicht nein, / Ist auch bald das Ganze dein«, ging Goya der Refrain einer alten Tonadilla durch den Kopf.
    Mit geübtem Blick, sachlich bei aller Leidenschaft und Begier, nahm er die ganze, umständliche Zeremonie des Ankleidens in sich auf. Geleitet wurde sie umsichtig von der Dueña. Doña Eufemia war dürr und lang, ein breiter Kopf mit schräger Stirn, platter Nase und wulstigem Mund saß auf einem Spindelhals. Die Alba behandelte die schwarzgekleidete würdige Alte bald herrisch wie eine Sklavin, dann wieder mit spaßhafter, beinahe lasterhafter Vertraulichkeit.
    Das weiße Musselinkleid war kürzer, als eigentlich erlaubt war, es schleifte nicht nach, es war das rechte Kleid für einen Spaziergang. Nun war auch die rote Schärpe befestigt und das üppige, schwarze Haar in einem dünnen Netz verwahrt.
    Die Begleiter fanden sich ein, welche Doña Cayetana mitzunehmen pflegte, der Page Julio, ein käsegesichtiger, spitznasiger Junge mit frechen Augen, der zehn Jahre sein mochte, und das kleine, vielleicht fünfjährige Negermädchen María Luz. Die Dueña nahm den Sonnenschirm, der Page den Behälter mit Puder und Parfums, das Negerkind hob den winzigen, weißwolligen Hund Don Juanito auf den Arm.
    Die kleine Prozession, Cayetana und Goya voran, schrittüber die feierlichen Korridore, die großen Treppen hinunter, hinaus in den Garten. Über gewundene, gekieste Wege ging man, zwischen Blumenbeeten und Hecken von Buchs und Taxus, dahinter war der massige Ernst des Schlosses. Dann verließ Doña Cayetana den Bereich der Gärten und schlug einen Pfad ein, der sich schnell verengte und hinaufführte zu der Silla del Rey, dem Sitze des Königs, jenem Felsvorsprung, welcher die berühmte Sicht des Escorial bot.
    Die Luft war fröhlich frisch, in einem hellen Himmel stand eine blasse Sonne, leichter Wind ging. Die Alba schritt auf zierlichen Schuhen, fest und mit Vergnügen, die Füße, wie es die Mode vorschrieb, nach außen gestellt; den Fächer trug sie geschlossen in der Linken, ihn leicht schwenkend. So, klein, anmutig und entschieden, ging sie den schmalen, steinübersäten Pfad, der durch die graubraune Wüste langsam aufwärts führte, hinein in die Vorberge der Guadarrama.
    Schräg hinter ihr ging Goya. Es war Vorschrift für jeden, der als Gast den Escorial betrat, in Hoftracht zu kommen; er ging steif in der etwas zu knappen Kleidung, Hut, Degen und Perücke beengten ihn. Vor sich sah er den kleinen Leib der Alba, prall umschloß die rote Schärpe die zärtlich gewölbten Hüften. So ging sie vor ihm her, winzig, gestreckt und schmal, sie schritt nicht, wandelte nicht, tänzelte nicht, es war schwer, für die Art, wie sie sich bewegte, das rechte Wort zu finden.
    Der Weg, ansteigend durch die besonnte, graubraune, weißliche Steinwüste, schien Goya lang. Die schwarzgekleidete Dueña rührte würdig und klaglos die alten Glieder, der Page Julio trug gelangweilt die Parfums und Puderflaschen, María Luz, die kleine Negerin, lief bald vor, bald zurück, das Hündlein kläffte übellaunig, befehlshaberisch und wollte jeden Augenblick niedergesetzt werden, um zu pissen. Goya war sich der Lächerlichkeit der kleinen Prozession bewußt, die da farbig, modisch, geckenhaft durch die uralte Ödnis hinzog.
    Über die Schulter sprach die Alba zu ihm. »Wohnt SeñoraTudó in der gleichen Posada wie Sie?« erkundigte sie sich. »Señora Tudó ist abgereist, soviel ich höre«, antwortete er, bemüht unbeteiligt. »Ich höre«, fuhr sie fort, »Sie haben für Señora Tudó ein hübsches Fest gegeben. Oder war es Don Manuel? Erzählen Sie ein bißchen. Seien Sie nicht so pedantisch diskret. Don Manuel ist beharrlich, aber auch die Italienerin ist nicht nachgiebig. Wer, glauben Sie, wird seinen Stier umbringen?« – »Ich bin zuwenig eingeweiht, Frau Herzogin«, antwortete er trocken. »Sagen Sie wenigstens nicht Frau Herzogin zu mir«, verlangte sie.
    Da war der Felsvorsprung, die Silla del Rey,

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