Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Uniformen, die man ihm in sein Atelier schicken mochte, hätte er wahrscheinlich rascher undbesser gearbeitet. Allein Carlos langweilte sich im Escorial, die Sitzungen machten ihm Freude, er saß seinem Maler fünf Tage lang, acht Tage lang, Morgen um Morgen, zwei bis drei Stunden. Auch die Unterhaltung mit Francisco machte ihm offenbar Spaß. Er fragte ihn aus über seine Kinder und erzählte ihm von seinen eigenen. Oder er sprach von der Jagd. Oder er erörterte seine Lieblingsgerichte, wobei er niemals vergaß, die großartige Qualität der Schinken zu rühmen, die aus Estremadura kamen, der Heimat seines lieben Manuel.
Schließlich erklärte die Königin, Carlos habe Goya lange genug für sich arbeiten lassen, jetzt wolle sie ihn haben.
Doña María Luisa war guter Laune. Sie hatte die Nachricht von der »Orgie« Pepas im Escorial nicht so entrüstet aufgenommen, wie man erwartet hatte. Ihr war das wichtigste, daß jetzt die Frauensperson fort war, so daß sie sich wieder, ohne sich was zu vergeben, der Nähe Manuels erfreuen konnte. Der seinesteils fühlte sich erleichtert, als ihm María Luisa nicht die gefürchtete Szene machte, und es war ihm willkommen, daß er eine Zeitlang die Aufforderungen Pepas zum Heldentum nicht hören mußte. Überdies bezeigte ihm die kluge María Luisa höchste Großmut. Sie tat, als habe er schon seit langem auf Versöhnung mit der Französischen Republik hingearbeitet, sie rühmte ihn vor den Granden und Ministern als den Mann, der Spanien den Frieden bringen werde. Die Freundschaft zwischen der Königin und ihrem Ersten Minister war enger als je.
Goya fand also eine heitere und sehr gnädige María Luisa. Er hatte sie schon vor beinahe einem Jahrzehnt gemalt, als sie noch Kronprinzessin war. Damals hatte sie trotz ihrer Schärfe und Häßlichkeit einen Mann reizen können. Nun war sie älter und häßlicher, doch noch immer bestrebt, nicht nur auf dem Throne, sondern auch als Frau zu gelten. Sie verschrieb sich aus allen Hauptstädten Europas Kleider, Wäsche, die kostbarsten Salben, Öle, Parfums, sie trug die Nacht über Masken aus Teig und seltsamen Fetten, sie trainierte mit dem Tanzmeister und ging, Kettchen an den Fußgelenken,vor dem Spiegel auf und ab, um ihren Gang zu verbessern. Mit souveräner Schamlosigkeit sprach sie mit Goya über die Mühen, die es sie kostete, sich als Frau zu behaupten. Ihm imponierte ihre wilde Energie, und er wollte sie malen, wie sie war: häßlich und interessant.
Er vermißte die Behelfe seiner Werkstatt und mehr noch Agustín, seinen Rat, seinen mürrischen Tadel, seine vielen Dienste. Bei dem beschränkten Raum des Escorial konnte er aber schwerlich verlangen, daß man ihn kommen lasse.
Nun hatte Don Manuel der Königin als eines der Zeichen der Versöhnung den Hengst Marcial zum Geschenk gemacht, den Stolz seiner Ställe, und auf diesem Pferde wollte sie sich für ihn malen lassen. Dergleichen umfangreiche Bilder ohne Gehilfen zu bewältigen, noch dazu in der kurzen gegebenen Frist, war so gut wie unmöglich. Goya konnte also mit gutem Grunde verlangen, seinen Freund und Schüler Don Agustín Esteve zuziehen zu dürfen.
Agustín kam. Breit grinsend begrüßte er den Freund, er hatte ihn bitter entbehrt, es war ihm Genugtuung, daß Francisco seine Einladung in den Escorial erwirkt hatte.
Bald indes mußte er wahrnehmen, wie Goya inmitten aller Arbeit plötzlich abglitt, wie qualvoll er auf etwas wartete, das nicht kam. Bald auch, aus Worten Lucías, Miguels, des Abate, erriet er die Zusammenhänge, erkannte, wie heillos tief sich Francisco dieses Mal verstrickt hatte.
Er begann, an der Arbeit des Freundes zu mäkeln. Die Porträts des Königs seien bei weitem nicht geworden, was sie hätten werden können. Wohl habe Goya viel Handfleiß darauf verwandt, aber wenig innere Sammlung. Es seien rein repräsentative Bilder, das sei zuwenig für den Goya von heute. »Ich weiß auch, warum Sie versagen«, erklärte er. »Sie sind mit Nebendingen beschäftigt. Ihr Herz ist nicht bei Ihrem Werk.« – »Du Klugschwätzer, du Neidling, du verkrachter Student«, gab Goya zurück, doch verhältnismäßig ruhig. »Du weißt genau, daß diese Bilder genauso gut sind wie alle andern, die ich von Don Carlos gemacht habe.« – »Richtig«,antwortete Agustín, »und somit sind sie schlecht. Sie können jetzt mehr als früher. Ich wiederhole Ihnen: Sie sind zu faul.« Er dachte an Lucía und steigerte sich in Wut. »Sie sind zu alt für kleine
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