Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
interessante Geschichte«, sagte Francisco.
»Übrigens«, wandte sich die Alba über die Schulter an Francisco, »habe ich auch eine andere, die mir weissagt, eine Zofe meiner Großmutter. Diese Zofe, Brígida hieß sie, wurde seinerzeit als Hexe verbrannt. Viele sagten, sie sei unschuldig gewesen, aber als der Henker sie um den Kuß der Verzeihung bat, hat sie ihn nicht geküßt, ein sicheres Zeichen, daß sie eine Hexe war. Sie kommt manchmal zu mir und verkündet mir, was geschehen wird. Sie ist sehr gut im Weissagen.« – »Was hat sie Ihnen denn geweissagt?« fragte er. Sie erwiderte sachlich: »Daß ich nicht alt werde und daß ich meine Zeit nützen muß, wenn ich was vom Leben haben will.«
Das Gesicht dann drehte sie ihm
Zu, aus den metallischen, großen
Augen schaute sie ihn an, und:
»Glauben Sie an Hexen?« fragte
Sie. »Natürlich glaube ich an
Hexen«, sagte unwirsch Goya,
Und er sprach jetzt in dem groben,
Heim’schen Dialekte, den er
Manchmal brauchte. »Selbstverständlich«,
Sagt’ er nochmals, »glaube ich an
Hexen.«
17
Tage vergingen, Francisco sah und hörte nichts von ihr. In seinem Zimmer in der Posada saß er, wartete. Zeichnete das Mittagsgespenst, zeichnete es ein zweites, ein drittes Mal. Elle est chatoyante, dachte er.
Unvermutet wurde er aufgefordert, ins Schloß zu übersiedeln. In heißem, freudigem Schreck nahm er an, sie habe ihm die Gunst erwirkt. Aber nicht sie, der König selber wünschte ihn im Schloß. Die peinliche politische Spannung war vorbei, der Zwist zwischen Doña María Luisa und Manuel beendet, der König hatte Zeit und Lust, sich von Goya porträtieren zu lassen.
Carlos schätzte seinen Goya. Der König, bei all seinem behäbigen Phlegma, hatte Sinn für Repräsentation. Auch empfand er die traditionelle Aufgabe der spanischen Herrscher, die Kunst und besonders die Malerei zu fördern, nicht als Bürde. Es war ihm eine angenehme Vorstellung, in den Bildern guter Maler weiterzuleben.
Beflissen überlegte er mit Goya, wie er sich diesmal solle porträtieren lassen. Er wünschte drei sehr repräsentative Gemälde, dazu angetan, jedem Untertan sogleich die Unterschrift des Königs ins Gedächtnis zu rufen: »Yo el Rey – Ich, der König.«
Goya hatte von jeher bewundert, wie Velázquez auf seinen Philipp-Bildern die Majestät des Königsmantels auf das Gesicht des Trägers zurückstrahlen ließ. Er hatte von Velázquez gelernt, aus Menschen und Kleidern Einheiten zu machen. Erhatte Carlos in rotem, blauem und braunem Rock gemalt, goldbestickt und silberbestickt, mit Bändern und Sternen, in Purpur und Hermelin, auch in der Uniform der Garde du Corps, zu Fuß und zu Pferde. Mehrmals war ihm geglückt, aus dem gutmütigen, etwas rohen, angestrengt würdigen Gesicht seines Königs Carlos und den hoheitsvollen Kleidern, aus dem gegen die Brust gedrückten Doppelkinn, dem fülligen Bauch und den strahlenden Ordenssternen etwas Neues, Organisches zu bilden, was dem Beschauer den Begriff Königtum gab, ohne doch die gemächliche Leiblichkeit Carlos’ zu verfälschen. Er freute sich darauf, neue, wirksame Varianten des vertrauten Themas zu finden.
Carlos war sich der Aufgabe bewußt, seinem Maler zu helfen, und er hielt aus in den manchmal ermüdenden Posen. Er regte Unterbrechungen nicht an, doch war er dafür dankbar. In solchen Fällen schwatzte er freundschaftlich mit Goya, ein Spanier mit dem andern. Zog wohl auch den schweren Königsrock aus, setzte sich massig in einen breiten Sessel oder stapfte in Wams und Hosen herum. Da wurden dann die Ketten von Uhren sichtbar, und oft auch redete der König von seinen Uhren. In einem, meinte er, halb im Scherz, halb ernsthaft, sei er seinem großen Vorgänger, dem Kaiser Karl, überlegen: er habe es dahin gebracht, daß seine Uhren auf die Sekunde die gleiche Zeit anzeigten. Und stolz zog er seine Uhren heraus, verglich sie, behorchte sie, zeigte sie Goya, ließ auch ihn horchen. Das Wesentliche sei, setzte er ihm auseinander, daß Uhren immerzu getragen würden. Um ihre ganze Leistungsfähigkeit zu erreichen, bedürfe die Uhr der unmittelbaren Nähe des menschlichen Körpers, die Uhr sei etwas Menschliches. Er halte darauf, daß seine Lieblingsuhren ständig getragen würden; diejenigen, die er nicht selber trage, lasse er von seinem Kammerdiener tragen.
Goya hätte für die bestellten Porträts nur drei oder vier Sitzungen benötigt; mit Hilfe der entstandenen Skizzen und mit Hilfe von Röcken und
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