Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
der Posada für den Hofmaler Don Francisco de Goya y Lucientes ein Brief aus dem Escorial abgegeben. Er lautete: »Ich habe morgen keinen Dienst bei der Königin. Warum sehe ich Sie niemals bei meinem Lever? Ihre Freundin Cayetana de Alba.«
Er hatte auf diese Botschaft gewartet, das Herz voll Bitterkeit. Jetzt waren alle üblen Gefühle weggewischt. »Ihre Freundin Cayetana de Alba.« Elle est chatoyante, dachte er, eher zärtlich.
Des nächsten Tages, er war kaum angelangt, winkte sie ihn zu sich. »Wie gut, daß Sie endlich kommen, Don Francisco«, begrüßte sie ihn, »wir haben viel zu besprechen. Bleiben Sie doch, wenn die andern gegangen sind.« Ihre kleine, etwas harte Stimme war unbekümmert laut, so daß auch die andern ihre Worte hörten, und voll unverstellter Herzlichkeit.
Es waren leider viele andere und manche, die Goya ungern hier traf. Da war natürlich der blonde, hochgewachsene Doktor Peral, da war der Berufsbruder, der Pfuscher Carnicero, da war der hübsche, geckenhafte Marqués de San Adrián, in dessen liebenswürdigem Gehabe Goya stets eine Spur Herablassung witterte, da war der Stierkämpfer Costillares, dem weiß Gott der Escorial hätte verschlossen bleiben müssen.
Und die Frau hatte für jedermann liebenswürdige Blicke. Franciscos Freude, während er wartete, verdampfte. Er fertigte diejenigen, die ihn ansprachen, einsilbig ab.
Kehrte der Gesellschaft den Rücken, beschaute die bunten Gobelins, die an den Wänden hingen.
Die Albas hatten eines der wenigen Appartements inne, welche der König in dem heitern Geschmack des letzten Jahrzehntes hatte einrichten lassen. Unter den Gobelins war einer nach einem Entwurf, den er selber, Francisco, gemacht hatte, zu der Zeit, als er unbekümmert fröhlich darauflosmalte. Es war eine lustige Volksszene. Vier Mädchen ergötzten sich, einen »pelele«, einen Hampelmann, auf einem Tuche hochspringen zu machen, ihn zu prellen. Die Gruppierung war nicht schlecht, die Bewegungen natürlich. Trotzdem mißfiel ihm sein Werk von damals. Diese Majas, diese Mädchen aus dem Volke, welche die Puppe springen machten, waren unecht. Es waren keine Majas, es waren Hofdamen, welche Majas spielten, und ihre Fröhlichkeit war jene geschminkte, gefrorene, die er beim Lever der Königin beobachtet hatte. Dielächerlichen, schmerzhaften Bewegungen des Hampelmannes waren wahrhaftiger als die der Mädchen.
Ihm selber hatte die fröhliche Mummerei sehr gefallen seinerzeit, und er hatte eifrig mitgetan. Alle hatten mitgetan. Seine Kollegen in Paris hatten die Herren und Damen Versailles’ als Schäfer und Schäferinnen gemalt, so steif und künstlich wie er seine Majos und Majas. Einigen dieser galanten Schäfer und hübschen Schäferinnen waren mittlerweile die eleganten Puppenköpfe abgeschlagen worden. Auch er, wiewohl es ihm jetzt eher besser ging als damals, hatte zugelernt, und die Heiterkeit seiner Volksszene erschien ihm jetzt dumm, krampfig, ärgerlich.
Die fröhlich leeren Gesichter des Gobelins waren nicht eben Porträts, und waren dennoch Porträts. Er konnte es mit Gründen bestreiten, daß die dritte der puppengesichtigen Damen die Alba sei, aber sie war es. In dieser Technik war er allen voran, ein Gesicht anzudeuten und es dennoch anonym zu lassen. Sie prellte ihren Pelele mit Lust, die Alba.
»Meine Herren und Damen, ich wäre fertig«, erklärte unerwartet bald die Alba, und liebenswürdig, doch bestimmt verabschiedete sie ihre Besucher. »Sie bleiben, Don Francisco«, wiederholte sie.
»Wir werden spazierengehen, Eufemia«, bedeutete sie ihrer Dueña, nachdem die andern weg waren, und sie stellte vor: »Das ist Doña Luisa María Beata Eufemia de Ferrer y Estala.« Francisco verneigte sich tief und sagte: »Es ist eine Ehre und Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen, Doña Eufemia.« In einem Liebeshandel mit einer großen Dame war die Dueña eine wichtige Person, die nach Belieben Sonne und Schatten machte.
Zofen rollten auf einem Toilettentisch neue Salbentöpfchen und Toiletteflaschen heran; der geplante Spaziergang erforderte Schutzmaßnahmen gegen die Sonne. Goya sah, wie sich das bräunlichblasse, ovale Gesicht Cayetanas sehr weiß färbte; auch so, mit den bestürzend hohen Augenbrauen, blieb es das einmalige Gesicht der Alba. Wo hatte er seineAugen gehabt, als er das dritte Mädchen malte für den Pelele-Gobelin?
»Und welches Kleid befiehlt mein Lämmchen für den Spaziergang?« wandte sich die Dueña an Cayetana. »Das grüne Pariser
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