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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Katholischen Königs kennengelernt. Er erklärte, er werde die ganze Angelegenheit von neuem persönlich nachprüfen.
    König Philipp schickte mehr Material. Dann, sehr bald, schrieb er dem Papste, er sei von der Ketzerei Carranzas mit Herz und Hirn überzeugt und verlange dessen schnelle Verurteilung. Drei Wochen später schrieb er dem Papst ein zweites Mal, mit eigener Hand, heftig und beredt. Forderte, daß der Ketzer auf den Scheiterhaufen geschickt werde. Jede geringereStrafe würde es Carranza, wenn auch in späterer Zeit, ermöglichen, wieder in sein Erzbistum eingesetzt zu werden; es sei aber untragbar für den König von Spanien, einen Ketzer im Besitz der höchsten geistlichen Würde seines Reiches zu wissen.
    Bevor indes dieses Schreiben den Papst erreichte, hatte der das Urteil über den Erzbischof gefällt, ein diplomatisches Urteil. Carranza wurde in sechzehn Fällen der leichten Ketzerei für schuldig befunden. Er sollte öffentlich abschwören und auf fünf Jahre von seinem Erzbistum suspendiert sein. Während dieser Zeit sollte er in einem Kloster in Orvieto leben, mit einem Monatsgehalt von tausend Goldkronen. Des weiteren wurde ihm eine leichte geistliche Buße auferlegt.
    Papst Gregor teilte König Philipp das Urteil in einem persönlichen Briefe mit. »Wir bedauern«, schrieb er, »daß Wir diesen durch Wandel, Gelehrsamkeit und Wohltun ausgezeichneten Mann haben verurteilen müssen und daß Wir nicht, wie Wir gehofft hatten, ihn haben freisprechen können.«
    Siebzehn Jahre hatte Don Bartolomé Carranza, Erzbischof von Toledo, den Tausende für den heiligsten Mann hielten, der je auf dem Boden der Iberischen Halbinsel wandelte, in spanischen und italienischen Gefängnissen zugebracht, die Päpste Paul der Vierte, Pius der Vierte und Pius der Fünfte waren gestorben, ehe man ihm sein Urteil sprach.
    Nachdem der Erzbischof im Vatikan seine Irrtümer abgeschworen hatte, unterzog er sich der geistlichen Buße, welche ihm der Heilige Vater auferlegte. Sie bestand darin, daß er sieben römische Kirchen zu besuchen hatte. Als Zeichen seiner Achtung und seiner Anteilnahme hatte ihm Papst Gregor für diese Besuche seine eigene Sänfte zur Verfügung gestellt, auch Pferde für sein Gefolge. Carranza aber hatte abgelehnt. Er ging zu Fuß. Zehntausende hatten sich versammelt, viele waren von weit her gekommen, um ihn zu sehen, wenn er vorbeigehe, und ihm ihre Ehrfurcht zu bezeigen. Seine Buße wurde zu einem Triumph, wie er auch einem Papste selten zuteil geworden war.
    Als Carranza von seinem Bußgang zurückkam, verspürte er heftige Schmerzen und mußte sich zu Bett legen. Nach wenigen Tagen erkannte man, daß er verloren sei. Der Papst schickte ihm Generalablaß von seinen Sünden und den apostolischen Segen. Carranza bat sieben hohe geistliche Würdenträger zu sich. In ihrer Gegenwart, nachdem er die Absolution empfangen hatte und unmittelbar vor dem Empfang der Letzten Wegzehrung, erklärte er feierlich: »Ich schwöre bei der Rechenschaft, die ich in kurzer Frist dem Allmächtigen abzulegen habe, und bei dem König aller Könige, der in dem Sakramente kommt, das ich zu empfangen im Begriffe bin: daß ich während der Zeit, da ich Theologie lehrte, und in der Folge, da ich in Spanien, Deutschland, Italien und England schrieb, predigte, disputierte und atmete, immer die Absicht hatte, der Religion Jesu Christi den Sieg zu verschaffen und die Ketzer zu bekämpfen. Ich habe denn auch durch die Gnade Gottes viele zum katholischen Glauben bekehrt. König Philipp, lange mein Beichtkind, war des Zeuge. Ich habe ihn geliebt, liebe ihn von Herzen, kein Sohn kann ihm aufrichtiger zugetan sein. Ich versichere ferner, daß ich niemals in einen der Irrtümer verfallen bin, deren man mich verdächtig erklärt hat; man hat meine Worte verdreht und ihnen einen falschen Sinn unterlegt. Trotzdem, weil es von dem Statthalter Christi ausgesprochen worden ist, erkenne ich für gerecht das Urteil, das meinen Prozeß abschloß. Ich verzeihe in der Stunde meines Absterbens allen denen, die in diesem Prozesse gegen mich aufgetreten sind, ich habe nie Groll gegen sie gehegt, und ich werde, wenn ich dahin gehe, wohin ich durch die Barmherzigkeit des Herrn zu kommen hoffe, für sie bitten.«
    Sektion der Leiche wurde angeordnet. Die Ärzte erklärten, der Dreiundsiebzigjährige sei an einem krebsartigen Leiden gestorben. Doch niemand glaubte es. Alle nahmen an, dieser Tod, der dem Katholischen König so gelegen kam, sei auch

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